Berlin | aktualisiert | Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) ist tot. Er sei am Donnerstag im Alter von 89 Jahren an Herz-Kreislaufversagen gestorben, wie sein Büro am Freitag mitteilte. Genscher war von 1969 bis 1974 Bundesminister des Innern sowie von 1974 bis 1992 fast ununterbrochen Bundesaußenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik.

Von 1974 bis 1985 war er überdies Vorsitzender der Freien Demokraten. Genscher hatte großen Anteil an der europäischen Einigung und am Gelingen der deutschen Wiedervereinigung.

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Altkanzler Schröder würdigt verstorbenen Genscher

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat den verstorbenen Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher als bedeutenden Diplomaten gewürdigt. „Genscher war ein großer deutscher Politiker, der Deutschlands Rolle in der Welt geformt und gefestigt hat“, sagte Schröder „Bild“ (Samstag). „Der friedliche Ausgleich von Interessen mit den Mitteln der Diplomatie war seine Mission. Dabei standen für ihn stets die Interessen Deutschlands im Mittelpunkt.“ Mit Standhaftigkeit habe er sie auch den Freunden im Westen gegenüber vertreten, so Schröder weiter. „Er bleibt uns als ein überzeugter Anwalt eines Ausgleichs zwischen Deutschland und Russland – auch in schwierigen Zeiten – in Erinnerung. Hans-Dietrich Genscher ist seiner Verantwortung gerecht geworden.“

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Merkel über Genscher: „Verliere hochgeschätzten Ratgeber“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den verstorbenen Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher gewürdigt. Mit ihm verliere Deutschland „einen weltweit geachteten Staatsmann und ich persönlich einen hochgeschätzten Ratgeber“, so Merkel in einer Erklärung am Freitagnachmittag. Sie verneige sich „in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers“ und bleibe persönlich für viele Gespräche und Begegnungen dankbar, bei denen sie „bis in die letzten Jahre von seiner Welterfahrung und Lebensweisheit schöpfen durfte“.

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Reker kondoliert im Namen von Rat, Stadt und Bürgerschaft

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat heute den verstorbenen langjährigen Außenminister der Bundesrepublik, Hans-Dietrich Genscher, gewürdigt und auch an seine Verdienste um die Stadt Köln erinnert.
„Mit Hans-Dietrich Genscher verliert Köln einen treuen Fan unserer Stadt. Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, hat er immer wieder gerne ausländischen Staatsgästen Köln gezeigt. Und nicht nur den Kölner Dom und Kölns Kunstschätze. Er kannte und schätzte die Kölner Mentalität und Weltoffenheit, die er gerne auch den Gästen präsentierte. Persönliche Freundschaften führten ihn später immer wieder nach Köln. Der Kölner Liberalismus und Hans-Dietrich Genschers politische Haltung – das passte zusammen“, so Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
„Im Namen der Stadt Köln, besonders aber ganz persönlich“ sprach Oberbürger-meisterin Reker der Witwe Barbara Genscher „mein herzliches Beileid“ aus. In dem Kondolenzschreiben erinnerte die Oberbürgermeisterin an die vielfältige Weise, in der sich Genscher um die Bundesrepublik verdient gemacht hat. „Viele Menschen haben ihn und seine Arbeit hoch geschätzt. Wir trauern um einen streitbaren, einen bekennenden Demokraten, um einen engagierten Politiker, um einen Menschen, der seine Werte lebte, der in vielerlei Hinsicht Vorbild war“.

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Armin Laschet: Hans-Dietrich Genscher stand für das Beste der Bonner Republik

Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, zum Tod des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher:
„Mit Hans-Dietrich Genscher verliert unser Land einen großen Staatsmann, einen großen Liberalen und einen großen Europäer. Er stand für das Beste der Bonner Republik.
Im Osten Deutschlands geboren, im Westen tief verankert, gestaltete er zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl den Weg zur Deutschen Einheit und verlieh mit ihm dem Europäischen Einigungsprozess neue Dynamik. Die Durchsetzung des Nato-Doppelbeschlusses, der Zwei-Plus-Vier-Vertrag und die außenpolitische Einbettung der Deutschen Einheit im Einklang mit unseren europäischen Nachbarn, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zur damaligen Sowjetunion, der Europäische Binnenmarkt, das Europa der offenen Grenzen, die Gründung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht und die Einführung des Euro – alles dies sind historische Erfolge, die dem Verhandlungsgeschick, der Grundsatztreue und der Beharrlichkeit von Hans-Dietrich Genscher zu danken sind.
Kurs halten, auch wenn es Gegenwind gibt, die Interessen des Landes über die Interessen von Personen und Parteien stellen – das trug ihm viel Kritik beim Konstruktiven Misstrauensvotum bei der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler 1982 ein. Er hat sich nicht beirren lassen und ist seinen außenpolitischen Kurs von der Entspannungspolitik der 70er Jahre über die Festigkeit gegenüber der Sowjetunion in den 80ern bis hin zur Deutschen Einheit entschlossen weitergegangen. Hans-Dietrich Genscher war Gesicht und Stimme der deutschen Außenpolitik und ihre prägendste Persönlichkeit in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die CDU Nordrhein-Westfalen trauert mit seiner Frau und seiner Familie um einen großen Staatsmann und Bürger Nordrhein-Westfalens.“

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Sigmar Gabriel zum Tod von Hans-Dietrich Genscher

Zum Tod des ehemaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher erklärt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel:
Die deutsche Sozialdemokratie verneigt sich mit großem Respekt vor dem Lebenswerk. Hans-Dietrich Genschers. Wir werden ihn als herausragenden Staatsmann in Erinnerung behalten. Mit ihm verliert unser Land einen der ganz großen Liberalen, einen Anwalt der Verständigung und der steten Annäherung und eine einzigartige Persönlichkeit.
Hans-Dietrich Genscher hat das Ansehen unseres Landes in der Welt gemehrt und sich mit seinem langjährigen Wirken enorme und bleibende Verdienste erworben. Die Einbindung Deutschlands in ein freiheitliches und friedliches Europa ist und bleibt eine große historische Errungenschaft, an deren Zustandekommen er entscheidenden Anteil hatte.
Hans-Dietrich Genscher hat wie nur wenig andere Politiker die Geschichte der Bundesrepublik seit Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mitgestaltet. Seine große Beliebtheit bei den Menschen weit über Deutschlands Grenzen hinaus erwarb er sich vor allem als hochgeachteter Außenminister mit seinem auf Ausgleich zwischen Ost und West ausgerichteten außen- und deutschlandpolitischen Wirken.
Er schloss sich 1952 der FDP an und wirkte in den kommenden Jahren in seinen politischen Ämtern und Funktionen an der Gestaltung der Demokratie in der jungen Bundesrepublik mit. Er gehörte dem Deutschen Bundestag 33 Jahre an, war von 1969 bis 1974 Bundesminister des Inneren und von 1974 bis 1992 Außenminister und Vizekanzler. Er bekleidete dieses Amt zunächst im Kabinett von Helmut Schmidt und in der Folge dann in vier Kabinetten Helmut Kohls. Seine Partei hat er als Vorsitzender und später als Ehrenvorsitzender über Jahrzehnte geprägt.
Mit seinem Wirken verkörperte er auf besondere Weise die Kontinuität und Zuverlässigkeit deutscher Außenpolitik. Auch in unterschiedlichen politischen Konstellationen gab Hans-Dietrich Genscher seine Grundpositionen nicht preis: So hielt er nach dem politischen Wechsel von 1982 Kurs in der von Willy Brandt begonnenen und von Helmut Schmidt fortgesetzten Deutschland- und  Ostpolitik.
Die Entspannungspolitik, ein neues Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt sowie die konsequente Einbettung Deutschlands in das westliche Bündnis waren die Eckpfeiler seiner mit einzigartigem Kommunikationstalent betriebenen auswärtigen Politik. So gelang es ihm immer wieder neue Gestaltungs¬möglichkeiten in der internationalen Politik zu erschließen. Sein Credo in allen schwierigen Verhandlungen war Interessenausgleich, der auf gegenseitigem Vertrauen gründete. Eine Weltordnung der Partnerschaft war sein ehrgeiziges Ziel. In unverwechselbarer Weise verband Hans-Dietrich Genscher dabei politisches Verhandlungsgeschick mit Gespür für weltpolitische Veränderungen und sensible Einfühlung in die Mentalität seines Gegenübers.
In den Jahren 1989/90 erfüllte sich für den im heutigen Sachsen-Anhalt Geborenen ein Traum, auf den er in unterschiedlichen politischen Konstellationen jahrelang hingearbeitet hatte. Unvergessen bleiben seine im Jubel untergehenden Worte vom Balkon der Prager Botschaft 1989. Die Verständigung mit dem Osten betrachtete er in diesem Prozess der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands  als ebenso grundlegend wie die Zustimmung der Verbündeten.
Die deutsche Sozialdemokratie wird Hans-Dietrich Genscher als großen liberalen Staatsmann in Erinnerung behalten. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Angehörigen und Freunden.

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Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum Tod von Hans-Dietrich Genscher

„Hans-Dietrich Genscher wird uns fehlen. Den Weg zur deutschen Einheit und die Verwirklichung der europäischen Idee hat er mit seinen Worten und seiner Diplomatie aktiv mitgestaltet und mitgeprägt. Seine Stimme hatte bis ins hohe Alter Gewicht. Wir werden sein Andenken bewahren. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.“

Autor: dts