Erste Warnstreiks in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen – 
„Patienten und Pflegebedürftige sind auf unserer Seite“

Im öffentlichen Dienst wird am Donnerstag (14.2.) gestreikt. Nachdem die Arbeitgeberseite auch in der dritten Verhandlungsrunde „kein ernst zu nehmendes Angebot vorgelegt hat“, ruft die Gewerkschaft ver.di als Auftakt Beschäftigte im Gesundheitswesen und in Altenpflegeeinrichtungen zu Warnstreiks auf. Im ver.di Bezirk Köln sollen sich zunächst ca. 250 Kolleginnen und Kollegen an den Aktionen beteiligen. „Tag für Tag sind diese Beschäftigten rund um die Uhr für andere Menschen da, jetzt müssen sie sich mal um ihre eigenen Belange kümmern“, heißt es bei ver.di. „Wir wissen, dass die ganz große Mehrheit der Patienten und Pflegebedürftigen auf unserer Seite ist“. Die Gewerkschaft fordert nach Jahren der Zurückhaltung acht Prozent mehr Lohn und Gehalt. Die Arbeitgeber (Kommunen und Bund) hatten zuletzt ein über zwei Jahre gestrecktes „Angebot“ vorgelegt, was unter dem Strich Einkommensverluste von bis zu 3,75 Prozent ausmachen würde.

„Die Wut über die Arbeitgeber ist in Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen und Behindertenwerkstätten besonders groß“, sagt Rolf Winterboer ver.di-Fachsekretär für das Gesundheitswesen. Denn die Arbeitgeber wollen diese Bereiche ganz vom Tarifabschluss im öffentlichen Dienst abhängen. „Seit Jahren wird hier Personal abgebaut, die Arbeit immer schwieriger und stressiger. Und jetzt sollen die Beschäftigten für ihre Geduld und ihr Engagement gegenüber Hilfsbedürftigen mit einem Tritt in das tarifpolitische Abseits befördert werden“, erklärt Winterboer. Die Arbeitgeber wollen die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden erhöhen. Dann werden die Krankenschwestern und Altenpfleger bis zu 10 zusätzliche Arbeitsschichten im Jahr leisten müssen. Die Beschäftigten im Pflegebereich arbeiten schon jetzt überwiegend 6 Tage in der Woche.
„Statt längerer Arbeitszeiten brauchen die Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen mehr Personal“, fordert auch die ver.di-Geschäftsführerin Christa Nottebaum. „Dazu gehört, Auszubildende im Gesundheitsbereich zu übernehmen. Junge und gut qualifizierte Menschen müssten Chancen bekommen, statt den heute schon überbelasteten Beschäftigten noch mehr aufzubürden.

Im ver.di Bezirk Köln finden folgende Aktionen statt:

Betriebliche ver.di-Streikaktionen finden von 6:00 Uhr bis 9:00 Uhr im Krankenhaus Merheim, im Krankenhaus Holweide, in den Rheinischen Kliniken Köln und in den Sozial-Betrieben Köln (SBK)   statt.
 
Die Streikenden treffen sich um 9:30 Uhr auf dem Rudolfplatz, um 10:00 Uhr gibt es eine Streikdemonstration vom Rudolfplatz zum Hans-Böckler-Platz. Auf dem Hans-Böckler-Platz (bei schlechtem Wetter im Gewerkschaftshaus) findet die Streikkundgebung statt.



Foto: Christa Nottebaum unterstrich die Bedeutung des Gesundheitswesens auf der Kundgebung vorm Gewerkschaftsgebäude in Ehrenfeld.


Die Kundgebung
Mit schrillem Trillerpfeifen und lauter Musik zogen die Demonstranten vom Rudolfplatz zum Hans-Böckler-Platz, wo die Streikkundgebung vorm Gewerkschaftshaus stattfand. Christa Nottebaum, Geschäftsführerin verdi Köln, begrüßte die überwiegend jungen Demonstranten. In einer kurzen Ansprache hob sie die Rolle der Auszubildenden im Gesundheitswesen hervor, die in Zukunft den Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sichern sollen. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, bedürfe es eines angemessenen Tarifabschlusses. "Damit wir alle das tun können, was wir wollen: Nämlich qualifiziert und gut arbeiten! Und das können wir im Moment nicht!" Die aktuellen Arbeitsbedingungen bezeichnete sie als "Notdienst", der nicht durch eine weitere Erhöhung der Wochenarbeitszeit erschwert werden dürfe. Sie beendete ihre Ansprache mit einem Dank an die Teilnehmer dieser ersten Streikveranstaltung und fügte hinzu: "Das war erst der Anfang."

Anschließend fand auch Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Vorsitzender der DGB-Region Köln, klare Worte. Er äußerte harsche Kritik an "gewissenlosen Managern und Bänkern", deren riskante Fehlentscheidungen immer wieder vom Steuerzahler getragen werden müssen. "Wir haben es satt, dass auf unsere Kosten die einen sich dumm und dämlich verdienen und wir am Monatsende nicht wissen, wie wir mit dem Geld hinkommen."

Uellenberg-van Dawen sprach auch die sich verschlechternde Arbeitsbedingungen und den wachsenden Druck auf die Angestellten an. Aufgaben würden von Ärzten auf Pfleger abgewälzt, Zeit- und Praktikumsverträge verdrängten die notwendigen neuen Festanstellungen. Auch der Einsatz von Langzeitarbeitslosen im Pflegedienst ist für Uellenberg-van Dawen keine gute Idee: "Das ist doch kein Job, den man mal eben lernt, wie einen Nagel in die Wand zu schlagen." Vielmehr handele es sich um eine Arbeit, die man sorgfältig und von Grund auf lernen muss. Seine Schlussfolgerung: "Gute, qualifizierte Arbeit, Engagement und Idealismus gibt es nicht zum Nulltarif." Die Chancen der tarifpolitischen Forderungen von verdi sieht er zumindest mittelfristig optimistisch: "Die Arbeitgeber wissen, sie werden nachgeben. Aber sie werden es hinziehen."

[nh, fs; Quelle: Verdi]