Türkische Begeisterung in der Kölarena


Begeisterte Erdogan-Anhänger in der Kölnarena



Große Inszenierung
Zuvor wurden die Menschen mit minutenlangen Fotostrecken über den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan eingestimmt. Immer wieder flimmerten Fotos über die riesige Leinwand, die den Ministerpräsidenten in seinem Amt lebendig werden ließen. Erdogan in staatsmännischer Pose, Erdogan mit einem Kind auf dem Arm, Erdogan bei einem Kranken, Erdogan mit dunkler Sonnenbrille, Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Bild klar und deutlich: Erdogan der Macher und internationale Staatsmann. Wie ein Popstar wurde der Auftritt inszeniert, Schweinwerfer blendeten direkt in die Augen der Besucher, dann der Auftritt gemeinsam mit seiner Gattin Emine, die Kopftuch trägt. Erdogan in Siegerpose. Die Veranstaltung durchorganisiert, ganz vorne die VIPs, dahinter die Medienvertreter und dann das Volk. An der Gummersbacher-Straße war der Parkplatz übervoll mit Bussen, aus der ganzen Republik sowie aus Österreich, Belgien, Holland und Frankreich waren die Erdogan-Fans angereist. Vor der Kölnarena hohe Sicherheitsvorkehrungen und eine massive Polizeipräsenz. Auch am Eingang Sicherheitskontrollen. In den Foyers am Zuschauerraum Gebetsteppiche, die auch eifrig genutzt wurden.


Hunderte Handys flimmerten auf, als der türkische Ministerpräsident Erdogan seine Rede begann. Viele wollten diesen Moment festhalten.


Die Rede von Recep Tayyip Erdogan
Erst ein Treffen mit Oberbürgermeister Fritz Schramma unter Ausschluss der Öffentlichkeit, dann ein Treffen mit türkischen Organisationen wie der Ditib oder der vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Mili Görüs – dann war es schließlich soweit: Um 15:15 Uhr betrat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Bühne der Kölnarena und die Menge jubelte ihm minutenlang zu. Bereits zuvor riefen viele Anhänger unter den rund 16.000 meist türkischen Zuschauern immer wieder: „Wir sind stolz auf dich“, und schwenkten begeistert ihre türkischen Fahnen. Organisiert worden war die Veranstaltung von der UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten), die Erdogans AKP-Partei sehr nahe steht.

Zunächst unterstrich er die Entschlossenheit seiner Regierung, in die Europäische Union beizutreten: „Es gibt einige Länder, die unseren EU-Beitritt verhindern wollen. Die Türkei hat keine Alternative als die Vollmitgliedschaft." Ebenso erteilte er der Forderung Angela Merkels nach einer priviligierten Partnerschaft für die Türkei eine Abfuhr: "Die Türkei wird ein solches Szenario nicht mitspielen", sagte er. "Bitte verzögert diese Angelegenheit nicht mit fadenscheinigen Vorwänden. Lasst es uns endlich hinter uns bringen." Anders als  einige EU-Mitglieder werde die Türkei sogar die Maastricht-Kriterien für die Aufnahme in die Währungsunion erfüllen können.“ Zum Brand in Ludwigshafen, dem neun Türken zum Opfer fielen, sagte er, er habe Türken und Deutsche erschüttert. „Das muss aufgeklärt werden“, so Erdogan. Die Türkei verfolge die weiteren Entwicklungen. Das Land schickte in der vorigen Woche eigene Ermittler.

Forderungen an Türkischstämmige
An seine Landsleute, die er „Botschafter“ nannte, appellierte der Ministerpräsident, sich gemeinsam in Vereinen zu organisieren: „Warum gibt es keine türkischen Bürgermeister oder warum gibt es nicht mehr Parlamentarier?, so seine Frage. „Sie sollten Einfluss auf die Sozialpolitik nehmen und sich nicht als Gäste betrachten“. Natürlich sei es wichtig, die Sprache des Landes zu erlernen, in dem man lebe. Gleichwohl dürfe nicht vergessen werden, die Muttersprache zu beherrschen. „Sie haben es geschafft, Ihre Sprache, Religion und Solidarität mit der Türkei zu erhalten“, schickte Erdogan voraus, um hinzuzufügen. „Ich kann Ihre Empfindlichkeit gegenüber der Assimilation verstehen. Niemand kann von Ihnen erwarten, eine Assimilation zu akzeptieren. Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Vielmehr wolle seine Partei, dass die Türkischstämmigen in Deutschland ihre Rechte mit Respekt auf die hier geltenden Gesetze durchsetzten. „Wir wollen aber auch, dass Sie bald an Parlamentswahlen und an der Wahl des Staatspräsidenten sowie an Volksentscheiden in der Türkei teilnehmen können.“ In Bezug auf eine „Tatort“-Folge, die Proteste von Aleviten hervorgerufen hatte, verlangte Erdogan eine Entschuldigung der Verantwortlichen.

Innenpolitische Aspekte
Darüber hinaus nannte er Fortschritte im Wohnungsbau oder im Gesundheitswesen als Erfolge seiner Innenpolitik. Auch die Wirtschaft sei gesundet: „Bevor wir die Macht vor fünf Jahren übernahmen, betrugen etwa die Auslandsinvestitionen 11 Milliarden Dollar. 2007 lagen sie bei 20 Milliarden Dollar.  Damit gelten wir neben Indien und China als sicherer Hafen.“ Im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kopftuchverbots an türkischen Universitäten letzte Woche, beklagte er, dass zuvor Studenten ihre Universitäten hätten verlassen müssen, um woanders ihre Ausbildung zu beenden. Zum Schluss verkündete er mit anderen türkischen Politikern der begeisterten Menge: „Ihre Angelegenheiten sind unsere Angelegenheiten."

Vor der Veranstaltung hatte die Kölner SPD-Abgeordnete Lale Akgün ihre Befürchtungen report-k.de geäußert: „Erdogans Erfolg heute wird sein, dass sich die Besucher heute als gute Türken fühlen und ihn,  nicht Angela Merkel als ihren Ministerpräsidenten sehen. Das entfernt uns nur weiter von einander, als dass es uns näher bringt.“ Für Kritik hatte im Vorfeld gesorgt, dass viele türkischsprachige Plakate in der Stadt auf den Erdogan-Besuch hinwiesen. Begleitet wurde die Veranstaltung draußen durch eine Demonstration von Kurden >>>.

Andi Goral und Nadin Hüdaverdi für report-k.de / Kölns Internetzeitung