Ihr Mann musste schon häufiger tief schlucken, wenn Ursula Schramm mit einer der ungewöhnlichen Kreationen von Yves Saint Laurent nach Hause kam: „Da kannst Du ja dein Geld gleich flambieren“, meinte der Gatte beispielsweise beim Anblick seiner Frau in einer dunkelblauen Seemannsjacke mit großen Knöpfen und leuchtend roten Schulteraufsätzen, an denen Bastfransen herunterhängen. „Aber für mich war es gut investiertes Geld, denn mit seinen Stücken ist man immer richtig angezogen“, meint Ursula Schramm. Zwischen den 70er und den 90er Jahren kam sie auf etwa 200 Kleidungsstücke wie Regenmäntel, Abendkleider, Hosen, Röcke des französischen Modedesigners, die sie nun dem Museum für Angewandte Kunst schenkte. Bis zum 30. März ist dort eine Auswahl von 16 Werken zu sehen.  Sie veranschaulichen verschiedene schöpferische Phasen aus seiner über 40-jährigen Karriere und ergänzen die modehistorische Sammlung des Museums.


Foto oben: Über diese Seemannsjacke staunte Ursula Schramms Mann nicht schlecht. Die Schulteraufsätze dienten früher dazu, Heeressoldaten vor Säbelhieben zu schützen.

„Typisch für ihn sind Anlehnungen aus der Männermode, die er feminisiert hat“, erklärt Kuratorin Xenia Ressos. Beispielsweise erfand er den Hosenanzug in den 70er Jahren. Dabei übertrug er deren Elemente nicht vollständig auf seien Entwürfe, sondern versetzte die Linienführung bei den Schnitten. „Was blieb, waren sehr körperbetonte Schnitte mit breiten Schultern. Sie unterstützten die Frauen dabei, in der Berufswelt selbstbewusst aufzutreten“, so Ressos. Der gebürtige Algerier ist ebenfalls bekannt für seine Experimentierfreude mit Farben „In einigen seiner Werke hat er Pink und Orange mit einander kombiniert. Aber es entstand keine Disharmonie, jede Farbe ergänzt sich“, sagt Ressos. Anleihen dazu bezog er aus Gemälden von Matisse, die er etwa in einem Zweiteiler bestehend aus einer Bluse und einem Rock verwirklichte.

Aufsehen erregte er 1985 mit einem dunkelblauen Overall aus Jerseystoff. „Damals war es undenkbar, eine feine Pariser Dame in einen Anzug zu stecken, den eigentlich Arbeiter trugen. Doch am Ende feierte er einen großen Erfolg damit“, weiß Ressos. Neben den Einflüssen aus der Kunst- und Männerwelt war es der Ehrgeiz des 61-Jährigen, der bereits mit 17 Jahren zur Christian Diors Assistenten ernannt wurde, die Eleganz der Frauen mit raffinierten Faltenwürfen zu unterstreichen, die beispielsweise für eine schlanke Taille sorgten. Damit sie nicht durch Staubablagerungen und Feuchtigkeit geschädigt werden sollten, bewahrte Restauratorin Katharin Sossou sie in speziellen Kleiderboxen auf.


Foto: Mit diesem Samt-Zweiteiler sorgte die Sammlerin bei einem Opernbesuch für Gesprächsstoff unter anderen Besuchern.

Die auffallenden Stücke trug Sammlerin Ursula Schramm etwa bei Opernbesuchen: „Früher hat man sich noch sehr elegant gekleidet, heute hält man sich eher zurück, was sehr schade ist.“ Als sie etwa einmal in einer dunkelblauen  Jacke und dazugehörigen Knickerbockern eine Opernvorführung mit Luciano Pavarotti besuchte, tuschelten manche, sie habe sich direkt als Operndarstellerin unter das Publikum gemischt. „Was soll`s?, dachte ich mir da nur, erinnert sich Schramm. „Ich selbst habe mich eher so gefühlt, als ob  ich aus der Zeit des Barock gekommen wäre.  Das Schöne ist doch, dass man mit Yves Saint Laurent unterschiedliche Facetten seiner Persönlichkeiten ausleben kann.“ Findet sie es nicht schade, die Stücke nicht mehr zu besitzen? "nein, sagt Ursula Schramm, "Sie haben mir einmal große Freude bereitet und nun sollen sich auch andere erfreuen. Außerdem sind sie hier in guten Händen."

Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung