Die Fakten
1. Auf dem Neumarkt findet die Volkssitzung seit 25 Jahren statt.
2. Die Volkssitzung ist kostengünstig und bietet Menschen mit geringem Einkommen, an zwei Tagen im Jahr die Gelegenheit die Größen des Kölner Karnevals zu erleben. Vor allem ältere Mitbürger besuchen die Sitzung.
3. Die Überschüsse der Volkssitzung kommen sozialen Zwecken zu Gute. Die veranstaltende Karnevalsgesellschaft Alt Köllen ist ehrenamtlich engagiert.
4. Die Volkssitzung findet in einem Zelt an einem Samstag und Sonntag Nachmittag von 13:30 – 21:00 Uhr statt.
5. Im näheren Umfeld sind Musikgruppen wie Höhner, Paveier, Brings oder Bläck Fööss wahrzunehmen.
6. Der Neumarkt ist ein städtischer Platz in Innenstadtlage, der von einer 3-4 spurigen Stadtautobahn und einem teils mehrgleisigen KVB-Betrieb umhüllt ist.
7. Das Kölner Platzkonzept sieht vor, Zeltveranstaltungen generell zu verbieten, macht aber eine Ausnahme beim Circus Roncalli und den Kölner Schützen auf dem Neumarkt.
8. Der Neumarkt soll umgebaut werden, ein zeitliches Konzept steht noch nicht.
9. Der Veranstalter der Volkssitzung auf dem Neumarkt hat seine Bereitschaft erklärt, nach dem Umbau des Neumarktes sich einen neuen Standort zu suchen.
10. Es fanden Gespräche zwischen dem Veranstalter und der Stadt Köln statt, insbesondere Stadtdirektor Kahlen, die ergebnislos verliefen. Die Gespräche sollen fortgeführt werden. Die Mehrheit des Rates aus SPD, Grüne und DIE LINKE fordert eine Volksproklamation Open Air. Die soll einen Tag nach der Proklamation im Gürzenich stattfinden. Die Volkssitzung soll auf den Platz im Mediapark ausweichen, obwohl ungeklärt ist, ob ein Zelt dieser Größe dort aufgebaut werden kann. Die CDU und FDP wollen die Sitzung im bisherigen Konzept bis zum Umbau des Neumarktes erhalten.

Kommentar: Wer hat die Hoheit über die Frage des Niveaus?
KOMMENTAR:
Alles eine Frage des Niveaus? Biertrinken in Zelten ist niveaulos, ergo zu verbieten. Was trinken die Besucher bei Roncalli? Es soll Städte geben in denen trinkt die Welt zwei Wochen Bier in Zelten, niveaulos? Ehrenamtliches Engagement niveaulos, weil es Biertrinken in Zelten erlaubt und Geld für soziale Zwecke erwirtschaftet?

Zeichnen wir das von der Ratsmehrheit gewollte Bild: Biertrinken im Freien, wir erinnern man will eine Volksproklamation mit mindestens 9000 Besuchern, niveauvoll. Heute können wir wieder niveauvolles Biertrinken im Freien beobachten. Rein mit der Flasche Kölsch und dann erst einmal auf dem Kölner Trottoir zerdeppert. Dreißig kleine Schnäppse hinterher. Komatrinken im Freien ist in Köln Niveau. Dann in jeden Winkel zu urinieren ist in Köln Niveau. Offen in der Altstadt zu poppen, in Köln Niveau. Die Gegner des Zeltkarnevals finden das sozial gerecht, weil es ja nichts kostet und es niveauvoll ist. Und man setzt noch einen drauf: Wenn es regnet, Jecke sind ja nicht aus Zucker. All die negativen Auswüchse der "niveauvollen" Open Air Party waren bei der Volkssitzung nicht zu sehen, aber da trägt ja auch nicht die Stadt Köln die Verantwortung.

Festzuhalten ist, der Kölner Rat hat populistisch politisch entschieden ohne genau hinzusehen was er entschieden hat und meinte entscheiden zu müssen, weil es in das Schubladendenken der eigenen Anhängerschaft passt. Die, die so entscheiden leisten genau dieser Politikverdrossenheit in der Bevölkerung Vorschub, die man dann hinterher nicht versteht, bejammert und liefert denen Argumente, die das für ihre undemokratischen Zwecke nutzen wollen. Mit anderen Worten, Stadtdirektor Kahlen hat durch seine Halstarrigkeit der Demokratie einen Bärendienst erwiesen.

Dabei wäre es so einfach gewesen. Anstatt nur in der ersten Reihe im edlen Gürzenich die Prinzenproklamation zu erleben, hätte der Rat und die Mitglieder sich ein Bild von der Volkssitzung machen können. Aber das hat man nicht getan. Das Bild war vorher fertig, Biertrinken in Zelten ist niveaulos und damit kategorisch abzulehnen und damit eine Recherche vor Ort für Ratsmitglieder unzumutbar. Hätte man sich die Mühe gemacht wäre man garantiert zu einem anderen Ergebnis gekommen. Dort feiern vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger der Stadt friedlich, fröhlich Karneval. Komatrinken mit all den negativen Auswirkungen gibt es bei der Volkssitzung nicht. Das immer mal der ein oder andere über die Stränge schlägt gibt es bei allen Veranstaltungen. Auch bei Edelveranstaltungen im ehrenwerten Gürzenich kann man Herren im feinen Zwirn erleben, die mit Dingen im Foyer wedeln die besser in der Hose bleiben. Oder nach stunkigen Sitzungen soll es ja auch Minister gegeben haben, die Polizeibeamte nötigen wollten, sie nach Hause zu fahren.

Das selbst der Kompromiss, die Sitzung so lange auf dem Neumarkt zu belassen bis umgebaut wird, verworfen wurde ist völlig unverständlich. Hätte sie doch allen Beteiligten die Luft verschafft eine sinnvolle Lösung in Ruhe zu erarbeiten, die Gemüter beruhigt. Denn eines ist klar, hier wird mit zweierlei Maß gemessen, dass keine Regeln, außer dem persönlichen Geschmack des gerade Regierenden kennt. Wohl bekomms das Bier oder der Prosecco bei Roncalli im Zelt. Argumente warum dieses getrunkene Bier niveauvoller ist, als bei Musik der Kultband Bläck Fööss, werden nur schwer zu finden sein. Vielleicht finden sich ja im Sommer, wenn die Wogen sich ein wenig geglättet haben, die Vernünftigen im Rat noch einmal zusammen und machen die unintelligente Entscheidung rückgängig. Wie eine Stadt ein positives Image mit Biertrinken in Zelten erreicht, eine Dienstreise zum Oktoberfest Ende September könnte bildend wirken. Denn diese Veranstaltung findet auch mitten in der Stadt statt, in mehreren großen Zelten…

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung