Klaus Schiedermair vor seinem Spind 63

Die Geschichte eines außergewöhnlichen Fotoabzuges
Spind 63 gehört dem Cellisten des Gürzenich-Orchesters Klaus Schiedermair. Als Klaus Schiedermair mit 24 Jahren in das Gürzenich-Orchester eintrat fiel ihm ein Foto im Raum der Cellisten und Geiger auf. Es hing an einem schnöden Nagel, neben den Spinden und großen Musikinstrumentenkoffern. Der junge Musiker sah sich das Foto näher an und erkannte darauf vor allem Richard Strauß, der das Orchester dirigierte in das er gerade eingetreten war. Schiedermair erfüllte das mit großem Stolz. Mittlerweile ist Schiedermair 40 Jahre Mitglied des Ensembles. Über 30 Jahre hing das Bild nicht sonderlich beachtet an dem Nagel, bis zu dem Tag, an dem die Räume renoviert wurden. Dies geschah in den Sommermonaten und der Sommerspielpause vor etwa fünf Jahren. Schiedermair kam in den Ferien zurück, fand die Spinde von der Wand gerückt und zwischen Bauschutt und Farbtöpfen das Bild, das ihn als jungen Musiker so beeindruckt hatte. Schiedermair sicherte das Bild und stellte es vorsorglich in seinen Spind. Dort vergaß er es, bis er seinen Spind säuberte. Und da zeigte er die Aufnahme einigen seiner Kollegen. Einer der Kollegen erkannte die Signatur Sanders und damit den Wert des Bildes. Über Umwege fand das Bild jetzt den Weg zur Photographischen Sammlung der SK Kultur und wird dort als Dauerleihgabe des Gürzenich Orchesters konservatorisch betreut. Denn die Sammlung hat etliche Stücke, die in den Kontext des Bildes aus der Cellisten und Geigen-Garderobe des Gürzenich Orchesters passt.


An diesem Nagel hing, belegt durch Klaus Schiedermair, der Original Abzug des Sander Fotos in der Garderobe der Cellisten und Geiger des Gürzenich Orchesters.

Diese Zusammenhänge erklärte die Leiterin der Photographischen Sammlung Gabriele Conrath-Schroll, die sich sehr über den Fund freute. Das Foto zeigt das Gürzenich-Orchester mit Richard Strauß am Dirigentenpult, aufgenommen anläßlich des 94. Niederrheinischen Musikfestes 1925 in den gerade eröffneten Messehallen in Köln-Deutz. Die Expertin findet vor allem das represäntative Format von 34 mal 50 Zentimeter außergewöhnlich, denn viele andere Abzüge Sanders bewegen sich ungefähr im DIN A4 Format. Der Photograph hatte eine große Affinität zur Musikerszene. Er spielte selbst Laute und Gitarre. Neben dem großen Foto mit den 130 Musikern des Gürzenich Orchesters, gab es in dieser Serie um 1925 auch eine Reihe Einzelporträts, wie zum Beispiel von Richard Strauß Hermann Abendroth, Paul Hindemith, Emanuel Feuermann und Wilhelm Furtwängler. Es gibt auch eine Gruppenaufnahme die Sander im Garten von Dr. Victor Schnitzler aufgenommen hat, der damals dem Festkomitee des Kölner Karnevals angehörte und ein großer Förderer der Kölner Musikerszene war. Dort sind Richard Strauß, sein Sohn Franz, die Mitglieder des Festkomitees Iwan Herstatt und Eugen von Rautenstrauch zu sehen.

Norbert Glaw, der geschäftsführende Direktor des Gürzenich-Orchesters übergab heute am Fundort das Bild an Dr. Hans-Georg Bögner, den Geschäftsführer der SK Stiftung Kultur und an Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Bögner dankte mit dem Worten "Für die Sammlung ist dieses wunderbare Orchesterbild mit Richard Strauss eine große Bereicherung". Aber eigentlich war es ein Austausch, denn Dr. Bögner übergab eine große Reproduktion auf Basis digitaler Tintenstrahltechnik an das Gürzenich-Orchester. Dieses Bild wird seinen Platz in den Räumen des Gürzenich-Kapellmeisters und Generalsmusikdirektors der Stadt Köln finden, Markus Stenz. Norbert Glaw ist sich aber sicher, dass das Original in guten Händen ist: "Seit über einem Jahrzehnt betreut und bearbeitet die Photographische Sammlung den Nachlass August Sanders. wir können uns so sicher sein, dass diese seltene Photographie in der dortigen Sammlung zahlreichen Interessenten zugänglich gemacht wird."

Wenn jetzt Schauspielhaus abgerissen und Opernhaus saniert werden soll, kann man ja gespannt sein, was sich noch alles in den verwinkelten Räumen, Gängen, Kellern, Speichern und Spinden finden wird. Vielleicht sollte die Stadt ja vorsorglich Archäologen und Kunstkenner in die Räumlichkeiten entstenden.

INFOBOX
August Sander

August Sander ist der berühmteste Kölner Photograph des letzten Jahrhunderts, neben Chargesheimer. Von 1911 bis in die 40er Jahre betrieb Sander ein Atelier in Köln-Lindenthal. Berühmt wurde Sander vor allen Dingen durch sein Werk "Menschen des 20 Jahrhunderts". 1992 sicherte die SK Stiftung Kultur den Nachlass von August Sander, der schon kurz vor dem Verkauf nach Amerika stand.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung