Eine exquisite Ausstellung für Kenner die wissen, dass Kunst tiefe geistige Auseinandersetzung ist, die visuelle Konzepte erkennen und schätzen. Keineswegs sind die Künstlerbücher von Reichel dabei staubtrocken vergeistigt, sondern emotional und visuell faszinierend. Und ein Buch ist bei Reichel nicht nur ein Buch sondern kann auch eine Sammlung von Teebeuteln sein. Aber der Künstler zeigt "nichts was ich nicht mit Absicht gemacht habe".

Der auffälligste Unterschied zu anderen Künstlerbüchern ist, das Andreas Reichel seine Bücher konzeptionell als Bibliothek von vorne herein anlegt. Das heißt mit Systematik. Auch wenn einige Bücher, Objekte und Multiples diese Systemtik auf den ersten Blick durchbrechen, müssen sie sich der Systematik dennoch unterordnen oder werden vom Künstler eingeordnet. Die Bücher von Andreas Reichel sind nicht nur einfaches Skizzenbuch sondern eine visuelle literarische Äußerung. Wie kommt ein Buch oder ein Objekt in die Sammlung "die ockerrücken". Dafür hat Reichel Kritierien festgelegt: Die Bücher müssen einen ockerfarbenen Rücken haben, sie müssen relativ dünn sein, denn der Betrachter soll sie visuell auswendig lernen können, denn es sind Bilderbücher, die aber häufig mit Typographie arbeiten. Die Typographie ist aber immer gezeichnet und gemalt. Reichel geht es auch hier um ein "visuelles Ereignis", nicht um ein redaktionelles. Reichel schränkt sich in der Farbgebung ein, es herrschen die Töne Schwarz, Rosa und Ocker vor.


Ein Ausschnitt aus einem der schwarz übermalten Bücher in dem eine Textzeile stehen bleibt.

Die Bücher können übermalt sein, es gibt eine Serie von bis auf eine Textzeile komplett schwarz übermalten Büchern, oft fügt Reichel aber dem Buchblock hinzu näht Seiten mit der Nähmaschine ein oder bezeichnet sie. Kritikern die sagen er betreibe Buchvernichtung kann Reichel die Fundorte der Bücher entgegenhalten, Antiquariate, Flohmärkte, Altpapiercontainer oder Dachböden. Wichtig ist dem Künstler dass seine Arbeit mit Wörtern aber kein Spiel ist, wie es zum Beispiel die Werbung betreibt. Wenn er Wörter wie "Erdehre" zeichnet, dann ist dies auch eine visuelle Beschäftigung. Die Positionierung des Buchstabens "E" und seine Form, die dem Wort eine horizontale Ausrichtung geben. Oder "Die oede Bloede" ist für Reichel eine Beschäftigung mit dem "ö". Wie die Schreiber im Mittelalter reiht Reichel auch Buchstaben und Wortbilder aneinander, die der Betrachter dann erst wieder isolieren muss. Sicher eine der eindrucksvollsten Arbeiten sind die schwarzen Übermalungen, die eine Zeile stehen lassen und damit aus dem Text eine Essenz generieren.

Neben den Büchern gibt es auch eine Vitrine die ganz gestaltet wurde. Reichel hat einen Innen- und Aussenraum geschaffen, er läßt uns in den Inneraum an einer Stelle hineinblicken und wir sehen eine Miniaturmatraze. Die dient dazu "um einen Gedanken stillzulegen", sagt der Künstler. Die Vitrine schafft die Verbindung zu den großen Rauminstallationen mit Papier, die ein Schwerpunkt der Arbeit von Andreas Reichel ist. Auch bei den Multiplen oder den Briefen die im Register 8 zu sehen sind, schafft es Reichel uns immer wieder mit Worten und Bildern zu konfrontieren. Da liegt ein Rundbrief, der Brief ist wirklich rund. Viele dieser Bilder und Wortspiele, vieles auch im Detail zeigt die kleine Ausstellung, die die Museumsbibliothek zeigt.

Das faszinierende, neben der Beharrlichkeit mit der der Künstler sammelt und arbeitet, ist aber das die Bilbiothek ein bewußter Prozess ist und dennoch spielerische Freiräume läßt. Wie stark die Arbeiten sind mag der Betrachter darin erkennen, dass in der Ausstellung, die in Vitrinen dargeboten wird immer nur eine Seite zu sehen ist. Der Künstler sagt, er habe die Seiten willkürlich aufgeschlagen und dennoch lassen sie die Stringenz des "bewußten" Prozesses auf den ersten Blick erkennen. Eine sehenswerte Ausstellung.

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Der Künstler Andreas Reichel
Andreas Reichel wurde im Jahr 1962 in Lörrach geboren und ist seit 1990 Dozent an der Alanus Hochschule in Alfter, seit 2003 Professor für Malerei. Im Jahr 2002 ging Andreas Reichel als Gastdozent an das College of Fine and Applied Arts an die University Khartoum/Sudan und 2005 als Gastprofessor an die Universidad Cuenca/Ecuador. Eine ganze Reihe von Einzelausstellungen und Gruppenausstellungen zieren seinen Lebenslauf, darunter die Biennale für zeitgenössische Kunst in Südamerika in Cuenca/Ecuador, der Kunstsalon Kleinsassen, das National Museum of Kenya, der Kunstraum Bad Honnef, der KIK Kunstverein Hannover und viele andere.

Die Sammlung "ockerrücken" besteht aus folgenden Registern:
Register 1: "Kuckucksbücher" (Kugelschreiber, Schuhkreme und Edding auf Damast oder Leinwand)
Register 2: "buchübermalung" (Acryl, Gouache und Edding auf Papier)
Register 3: "schwarzbücher" (Tusche und Edding auf Papier)
Register 4: "Überschrift" (Acryl und Edding auf Papier)
Register 5: "edition" Diverse Ausgaben mit Texten und Bildern; z.B. 2006 "sätze gegen meine gehörlose wiese" (verschiedene Techniken)
Register 7: "die öde blöde" (Hefte: Tempera, Acryl, Schellack, Schuhkreme, Wachskreide, Grafit auf Papier)
Register 8: "briefe vornehmlich feldbriefe" (Papierobjekte genäht mit Fotografien und Textilfragmenten)
Register 9: "multiple und objekte" (diverse Techniken und Materialien) z.B. die Familie der Teebeutel, Collage mit Bananenpapier

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Die Kunst und Museumsbibliothek der Stadt Köln
Mit einem Bestand von ca. 385.000 Bänden gehört die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln zu einer der größten öffentlichen Kunst- und Museumsbibliotheken zur Modernen Kunst und Fotografie in der Welt. Die Bibliothek versteht sich als wissenschaftliche Arbeitsbibliothek und öffentliche Kunstbibliothek und ist für jedermann kostenlos zugänglich. Alle weiteren Infos, wie Öffnungszeiten der beiden Lesesäle gibt es im Netz:
www.museenkoeln.de/kmb, zudem verfügt die Bibliothek über einen Online-Katalog: www.museenkoeln.de/kmb/katalog

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung