FIGGE VON ROSEN GALERIE ZEIGT NOCH BIS ZUM SAMSTAG, DEN 9. DEZEMBER: 

RALF ZIERVOGEL
MAMATERIAL
4. NOVEMBER – 9. DEZEMBER 2006

 
Am 3. November haben wir die Ausstellung des Berliner Künstlers Ralf Ziervogel eröffnet. Der 1975 in Clausthal-Zellerfeld geborene Ziervogel, der bereits während seines Studiums an der UdK bei Lothar Baumgarten Videos und großformatige Zeichnungen ausgestellt hat, präsentierte während der ArtCologne zum ersten Mal eine medienübergreifende Rauminstallation.
 
Für die Realisation der als Abschlußarbeit von der Akademie entworfenen dreiteiligen Arbeit Mamaterial wurde die Galerie so umgebaut, daß eine völlig neue Raumaufteilung mit Verbindungstunneln und doppelten Türen entstand. Den Auftakt der aufwendigen Inszenierung bildet ein scheinbar leerer Galerieraum, aus dem ein Tunnel in die Tiefe führt. Vor dem dunklen Abgang versinkt ein Skateboard und ein kühlschrank-frisches Suppenhuhn, bestempelt mit dem KaDeWe – Logo, in einem kniehohen Mehlberg.

Dumpf hämmernder Technobass hallt aus der Dunkelheit und zieht den Betrachter durch den Tunnel die Treppe hinab. Mit jeder Stufe gewinnt der Bass an physischer Präsenz. Unten angekommen wird man gänzlich erfaßt von der Monotonie des aus vier Subwoofern und ebenso vielen Trichter-Lautsprechern dröhnenden Soundtracks zu dem großflächig projizierten Videoloop "Mit der Bahn zur Arbeit". Das Gesicht zu Grimassen verzerrt sieht man Ziervogel in einem morgentlichen Pendlerzug einem elenden Alltag entgegen rasen. Bild und Ton drängen den Besucher weiter. Um in den nächsten Raum zu kommen muß man sich durch eine Schleuse zwängen, die die lärmende Musik draußen und die auf 5 Grad heruntergekühlte Luft im letzten Teil der Installation drinnen läßt. Mit dem Schließen der zweiten Tür verstummt der Lärm und man steht fröstelnd vor einem mächtigen 4 Meter langen Kartentisch. Dahinter ist die Projektion einer züngelnden Kerzenflamme unter einer schwach glimmenden Glühbirne zu sehen. Haben sich die Augen erst an die Dunkelheit gewöhnt entdeckt man auf der die ganze Tischplatte überziehenden Filzdecke ein mit feinem Salz gezeichnetes Universum und eine französische Hartwurst. Darunter lehnt ein blauer Scout-Schulranzen an einem Tischbein. 
 
Die Installation markiert für Ziervogel einen wichtigen Schritt in seiner Laufbahn, da sie alle bisher von ihm verwandten Medien wie Objekte, Zeichnungen und Videos in einem Werk zusammenführt, das nur scheinbar existenzielle Fragen, nach dem Sinn des Dasein oder auch der Bedeutungslosigkeit individueller Biografien aufwirft. Der Künstler spielt vielmehr mit allgemeinen Klischees, die die Sehnsucht des Betrachters/Menschen nach Sinnerfüllung und die gerade im Kunstkontext  wichtige Dechiffrierung von Bedeutungszusammenhängen in Frage stellen. Das "Konglomerat der Klischees" (Ziervogel) beginnt bereits mit dem ersten Raum, einem White Cube, in dem das KaDeWe – Huhn im Mehlberg versinkt und durch ein den Kontext durchbrechendes Skateboard poetisch aufgeladen wird.
 
Die im zweiten Raum an Hand des Videos "Mit der Bahn zur Arbeit" physisch erlebbare Monotonie des Arbeitslebens, lädt den Betrachter zu einer sozialkritischen Interpretation ein. Daß das nicht gemeint sein kann, wird spätestens klar, wenn man weiß, daß hier der Künstler selbst – Vertreter einer Generation junger Kreativer – als Gefangener des Alltags gezeigt wird. Ähnlich irreführend verleitet auch die Projektion von Kerze und Glühbirne zu weittragenden Gedankenspielen über die verschiedenen Erkenntnisstufen der Menschheit, doch spenden sie letztlich nur Licht für das Universum aus Salz, das in ihrem schwachen Schimmer auf dem schweren Kartentisch erkennbar wird.
Während die verschiedenen Utensilien der Installation (Mehl, Huhn, Salz, Skateboard, Schulranzen und französische Hartwurst) alle dem Kontext eines Haushaltes entstammen, so bieten sie dem Betrachter doch völlig unterschiedliche Ansätze zum Verständnis des Werkes. Und gerade in dem das Verstehen daran scheitert, sie als Konglomerat zu begreifen, fügen sich die Einzelteile zu einem übergeordneten Thema der Arbeit zusammen: der Verführbarkeit des Betrachters. 

Figge von Rosen Galerie
Aachener Str. 65
50674 Köln