Entgegen aller Erwartungen traf der SPD-Chef heute Morgen unter Presseausschluss im Friseursalon Öczan auf der Keuptstraße ein. Ein Blick in den Salon verriet, dass Gabriels Solidaritätsbekundungen auf positive Reaktionen der Salonmitarbeiter stießen. Das mag womöglich daran gelegen haben, dass das Gespräch ‚im Privaten’ stattfand. „Türken sind sehr bescheidene Menschen“, erklärte Gabriel sein Vorgehen. Zudem sei Gabriel nach eigenen Angaben mit einer türkischen Frau verheiratet gewesen und habe so etwas Türkisch lernen können. Das mag ihm im Gespräch mit Öczan einige Sympathiepunkte eingebracht haben.

Gabriel: „Peinlich genug, dass wir jetzt erst kommen“
Wie Schneider versicherte auch Gabriel, dass man alles dafür tun werde, damit den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahre. Das hätten die Menschen verdient, nachdem man so viele Jahre die Hinweise auf rechtsextremistische Motive ignoriert habe. „Peinlich genug, dass wir jetzt erst kommen“, sagte der SPD-Chef. Man stelle sich vor, der Nagelbombenanschlag von 2004 wäre islamistisch motiviert gewesen: da wäre man sofort zur Stelle gewesen, so Gabriel. „Es fällt uns in Deutschland schwer, bei rechtsradikalen Taten einen Zusammenhang zu erkennen“, sagte der SPD-Chef. Gabriel plädierte außerdem für mehr Präsenz des Staates und der Polizei in den Städten: Bevor der Staat seine Bürger zu mehr Zivilcourage auffordere, solle er zunächst selbst mehr Courage leisten, so Gabriel.

Sozial entleerte Räume sinnvoll füllen
Der wichtigste Schritt neben der Repression von rechtsextremer Gewalt sei die ‚Pflege’ von „sozial entleerten Räumen“ in den Städten, sagte der SPD-Vorsitzende: denn sobald solche von der Stadt vernachlässigten Räume entstünden, hätten rechtsextremistische Ideologien Platz sich "einzunisten" und zu "florieren". Dagegen könne auch ein NPD-Verbot nicht viel ausrichten, so Gabriel. Dennoch sei er schon seit vielen Jahren für ein solches Verbot: „Ich kann keinem Menschen erklären, warum eine Partei wie die NDP mit den Steuergeldern der Bürger rechte Propaganda betreibt“, sagte der SPD-Chef. Man denke nur an vergangene „Gas Geben“ – Plakate der NDP: Gabriel konnte nicht verstehen, warum ein Staat, „in dem Auschwitz erfunden wurde“, Geld für derartige Propagandainhalte ausgibt. Das Nagelbomben-Attentat betreffe nicht nur die Keupstraße, so Gabriel: „Es ist ein Attentat auf den Kern unserer Gesellschaft.“

Missmut bei den Anwohnern
Mit dem Ziel den Anwohnern der Keupstraße nicht nur sein Mitgefühl auszusprechen, sondern sich zu erkundigen, wie diese mit den vergangenen Ereignissen umgegangen sind, besuchte der SPD-Chef unter anderem auch die Restaurants Büyung Harran und Mevlana. Ebenfalls unter Ausschluss der Presse. Aufgrund des großen Presseandrangs auf der Keupstraße hat die Polizei zum Teil Parkplätze sperren müssen. Das sorgte für Missmut sowohl bei den anliegenden Restaurants als auch bei den Autofahrern.

[il]