Mit der Gruselgeschichte fängt es an
In der Ferienzeit genießen viele Kinder ihre wieder gewonnene Freiheit. Es gibt keine Schule, keine Hausaufgaben und in den lauen Sommernächten darf man wieder länger draußen spielen. Ferienlager sind als Freizeitbeschäftigung besonders beliebte Ziele bei Kindern und Jugendlichen. Man freut sich auf die neuen Gesichter, die Spiele, das Lagerfeuer und die Gruselgeschichten. Doch bereits mit den Gruselgeschichten kann die Schmerzgrenze des Kindes überschritten werden.

Das findet auch der Verein Zartbitter in Köln, die Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen. Ursula Enders, Leiterin Zartbitter, ist der Ansicht, dass mit der Überspitzung eines Gruselmärchens schon eine Grenze überschritten werden kann und die Kinder die folgende Zeit ihres Aufenthaltes in Angst verleben. Solche „Kleinigkeiten“ können Vorreiter für Gewaltrituale sein, erklärt Enders. Was zunächst scherzhaft gemeint sei, ende nicht selten in Gewaltritualen. Häufig seien die Betreuer selbst an Ritualen beteiligt und würden bei diesen auch ab und zu ihre Aufsichtspflicht verletzen, berichtet der Verein. Das Ritual etwa, Neuankömmlinge in der Wildnis auszusetzen, um zu sehen, ob sie allein zurückfinden, verletzte die Aufsichtspflicht. Die Grenzen verletzenden Rituale fänden jedoch häufig auch durch die Kinder statt. Die Dynamik, die in einer solchen Gruppe entsteht, zwinge das Opfer zum Gute-Miene-zum-bösen-Spiel.

Kinderrechte-Kompass für das Ferienlager
Grenzverletzende Rituale gibt es nicht nur in den Ferienlagern, sondern auch in Sportvereinen oder Verbänden, berichtet Ursula Enders. Diese hätten sich in den letzten Jahren stark bemüht gegen Gewaltrituale in den eigenen Reihen vorzugehen. Unter anderem erhalten die Betreuer jetzt Schulungen im Umgang mit Kindern und Kinderrechten. Verbände und Vereine, die sich über dieses Thema informieren möchte, können sich bei Zartbitter melden. Gemeinsam wird dann ein Regelwerk erarbeitet.

Verbände und Eltern können viel zum Schutz von Kindern in Ferienlagern tun.
Der Zartbitter Verein meint dazu: „ Eine erste und wichtige Maßnahme zum Schutze von Mädchen und Jungen ist die Verankerung der Kinderrechte in den Verbänden.“ Denn nur wenn Kinder über ihre Rechte aufgeklärt sind, würden sie auch etwas sagen und sich wehren. Zartbitter hat dazu einen Kinderrechtepass entworfen, der die Kinder über ihre Rechte im Ferienlager informiert. Betreuer, Eltern und Kinder verpflichten sich mit ihrer Unterschrift diese zu achten.

Tipps für mehr Schutz im Ferienlager:

  • Eltern sollten sich vorab bei den Ferienlagern über Rituale und ihre möglichen Gefahren informieren
  • Eltern sollten mit ihren Kindern mit entsprechenden Materialien darüber sprechen
  • Kinder sollten von den Leitern der Feriencamps zu Beginn der Ferienzeit über ihre Rechte aufgeklärt werden
  • Kindern sollte vermittelt werden, dass sie jederzeit Hilfe holen können – "Hilfe holen, ist kein Petzen", betonte Enders


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