Lucius Carinius Sollemnis muss ein reicher Mann gewesen sein. Sonst hätte er, erklärte heute Marcus Trier, Leiter der Bodendenkmalpflege und kommissarischer Direktor des Römisch-Germanischen Museums, nicht Decurios in Köln werden können. Denn die gewählten Decuriones rekrutierten sich aus den vermögenden und angesehenen Familien der Stadt. Das Amt bekleideten die Männer ihr Leben lang – so lange sie sich nichts zuschulden kommen ließen. Die Decuriones übernahmen in der Stadt Verwaltungs- und Gerichts-Aufgaben. Zwischen dem 1. und 4. Jahrhundert gab es in Köln über 1.000 Decuriones, schätzte heute Trier. Doch nur 12 waren bislang namentlich bekannt. Mit dem Fund von den Ausgrabungen am Waidmarkt wurde nun ein weiterer bekannt. Nach der Datierung der Inschriftenplatte dürfte es sich bei Decurio Sollemnis nun sogar um den ältesten namentlich bekannten Decurio der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, der Kölner Kolonie, handeln.


Entdeckung des Weihesteins bei der Ausgrabung am Waidmarkt


4.000 Sesterze für ein Monument
Der Weihstein stammt ursprünglich von einer Statue, die vermutlich die Ehefrau des Decurio nach dessen Tod einem Mercurius-Heiligtum spendete. Dafür zahlte sie 4.000 Sesterze – damals eine hohe Summe. Der Lebensunterhalt kostete die Kölner Bürger damals durchschnittlich 500 bis 700 Sesterze, erläuterte Trier heute. Ein Arbeiter verdiente etwa vier Sesterze pro Tag.  Für eine Summe von 4.000 Sesterzen hätte man also fünf bis sechs Jahre leben können. Für den gleichen Preis hätte man sich zudem zwei Sklaven laufen können. Der Weihestein „ist eine der aufregendsten Inschriften-Funde der vergangenen 10 Jahre“ betonte Trier. Seit heute ist er zusammen mit den Grabbeilagen nun in der ersten Etage in der Dauerausstellung des Römisch-Germanischen Museums zu sehen  direkt neben der Jupiter-Säule.


Grabbeilagen aus dem Grab im 3. Jahrhundert, bei dem der Weihestein als "Sargdeckel" recycelt wurde


Weihestein als Sargdeckel recycelt
Im dritten Jahrhundert wurde der Weihstein von den Kölner Bürgern neu verwendet. Das war in Köln üblich, da Steine hier kostbar waren. Per Schiff mussten sie etwa aus dem Münsterland oder dem Taunus nach Köln gebracht werden. Immer wieder wurden Steine daher recycelt. Der Weihestand wurde in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts als Sargdeckel verwendet. So fanden ihn nun auch die Archäologen am Waidmarkt. Er diente als Deckel für ein Brandgrab. In dem befanden sich die Überreste eines verbrannten Leichnams sowie Grabbeilagen. Dazu gehörten drei Bronzemünzen, drei kleine Keramikkrüge und ein Eisenmesser. Die Grabbeilagen haben keinen besonders hohen Wert und deuten daraufhin, dass es sich bei dem Leichnam um einen mitteständigen Bürger handelt.


Blick in das Grab – zu sehen die Keramikkrüge


Die Ausgrabungen am Waidmarkt
Entdeckt wurde die Weiheplatte bei Ausgrabungen am Waidmarkt. Dort befand sich wenige Jahre nach der Geburt Christi eine römische Siedlung. Sein lag damals außerhalb der römischen Stadtmauer. Dennoch legten die Römer hier planmäßig Straßen an, wie Holzfunde belegen. In dem Gebiet wohnten und arbeiteten unter anderem vermutlich Keramik- und Glashandwerker. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts gaben die Römer diese Vorstädte jedoch auf. Sie fürchteten Germanenüberfälle und zogen sich hinter die Stadtmauern zurück. Die Siedlungen zerfielen und wurden als Friedhöfe genutzt – wie nun auch das jüngst entdeckte Grab beweist.

Das Gelände des ehemaligen Polizeipräsidiums untersuchen nun seit Juli 2010 die Archäologen. Auf rund 8.000 Quadratmeter führen sie dort Ausgrabungen durch. Das restliche Areal sei bereits früher untersucht worden oder sei unterkellert worden, sodass dort keine Funde mehr zu erwarten seien. Derzeit befinden sich die Ausgrabungen „in den letzten Zügen“, so Trier. Den Weihestein hatten die Archäologen bereits im Februar 2011 entdeckt. Doch erste heute berichteten sie von dem Fund – aus Angst, dass Privatpersonen die Ausgrabungsstellen plündern würden.

Die Inschrift
MERCURIO VALDIVAHANO
MILIA RHENAS
EX TESTAMENTO
L(uci) CARINI SOLLEMNIS
DEC(urio) C(oloniae) C(laudiae) A(rae) A(grippinensium) EX
HS N(ummun) IIII MIL(ibus)

(Dem) Mercurius Valdivahanus
(hat) Milia Rhenas
Gemäß dem Testament
Des Lucius Carinius Sollemnis
Decurio (Stadtrat) der CCAA
Von der Gesamtsumme (aus dem Eerbe) 4.000 Sesterzen (für dieses Monument gestiftet)

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
Fotos am Ausgrabungsort: Römisch-Germanisches Museum