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13:57 Uhr > Deutsche Energieagentur: Schneller Atomausstieg ist nicht machbar
Ein kurzfristiger Verzicht auf alle Atomkraftwerke binnen weniger Jahre ist nach Ansicht von Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), nicht möglich. "Ich halte einen raschen Ausstieg nicht für machbar", sagte er dem "Tagesspiegel". Er habe "Bauchschmerzen", wenn die Leute, die vor kurzem noch die Laufzeit-Verlängerung durchgesetzt hätten, nun einen Ausstieg 2014 oder 2015 propagierten. "Es sind zunächst immense Investitionen nötig – in neue, fossile Kraftwerke, in neue Leitungsnetze und Speichertechnologien. Das geht nicht von heute auf morgen", befand Kohler. Erst 2020 oder 2022 könne man auf die Atommeiler verzichten. Die Dena ist eine Agentur, die vom Bund und von der Finanzwirtschaft getragen wird und die Energieeffizienz sowie erneuerbare Energien fördern soll. Kohler kritisierte Berechnungen des Umweltbundesamtes und des Umwelt-Sachverständigenrates, denen zufolge ein Ausstieg schon 2017 oder gar 2015 möglich sein soll. "Wir müssten alte, schmutzige Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen. Oder Atomstrom aus den Nachbarländern importieren. Das ist widersinnig." Bei den Gutachten würden Netzausbau und Systemstabilität außer Acht gelassen. "Dabei ist das Netz der Flaschenhals." Nötig seien 4.500 Kilometer neue Stromtrassen und bis zu 12.000 Megawatt neuer, fossiler Kraftwerke. Kohler sagte, konventionelle Kraftwerke seien "auch noch 2030 und 2050 unverzichtbar". Strom aus Sonne und Wind sei nicht immer verfügbar. "Für die Lücke sind konventionelle Kraftwerke nötig, die man schnell hoch- und runterfahren kann. Die Bürger und die Fabriken wollen ja rund um die Uhr Strom haben." Der Umbau der Energieversorgung wird seiner Ansicht nach dazu führen, dass die Stromkosten für die Energieerzeugung um bis zu 1,5 Cent je Kilowattstunde teurer würden. "Wir sollten den momentanen Schwung nutzen, um den Wandel hin zu mehr Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in der Gesellschaft zu verankern", verlangte er.
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12:10 Uhr >
Aus einem Reaktor des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima I fließt hoch radioaktives Wasser in den Pazifischen Ozean. Das teilte die Betreiberfirma Tepco am Samstag mit. Das Wasser entweiche dabei aus einem Leck unter dem Betonboden von Reaktor 2. Eine Strahlung von rund 1.000 Millisievert pro Stunde sei dabei gemessen worden, hieß es weiter. Tepco wolle nun Beton in das Reaktorinnere leiten, teilte die japanische Atomaufsicht mit. Dadurch soll das Leck geschlossen werden.

Merkel will sich bei Energiewende für gesellschaftlichen Konsens einsetzen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich persönlich für einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens bei der anstehenden Energiewende in Deutschland einsetzen. "Die Bundesregierung setzt alles daran, diesen Weg zusammen mit einer breiten Mehrheit der Bürger zu gehen", sagte die Kanzlerin der "Bild am Sonntag". So will Merkel Anfang Mai selbst mit Vertretern von Kirchen, Umweltgruppen und Gewerkschaften über die Energiewende diskutieren. Im Juni will die Kanzlerin auch auf die im Bundestag vertretenen Fraktionen zugehen und mit ihnen diskutieren. Den von SPD-Chef Sigmar Gabriel geforderten "Runden Tisch" zur Atomkraft soll es aber nicht geben, heißt es in Merkels Umgebung. Bereits am Montag wird Merkel die Ethik-Kommission treffen. Am 15. April führt die Kanzlerin dann mit den Ministerpräsidenten aller Länder ein "Gespräch zur Beschleunigung der Energiewende". Mitte Mai soll der Bericht der Reaktorsicherheitskommission zur Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland vorliegen. Ende Mai werden die Empfehlungen der Ethikkommission erwartet. Den Weiterbetrieb der jetzt für drei Monate vom Netz genommenen acht Atommeiler macht Merkel von der laufenden Sicherheitsüberprüfung abhängig. Die Kanzlerin zu "Bild am Sonntag": "Sicherheit geht vor. Wie es nach dem Moratorium mit den AKW in Deutschland weitergeht, das entscheiden allein die notwendigen Konsequenzen aus den Sicherheitsüberprüfungen. Die Katastrophe von Fukushima, deren ganzes Ausmaß wir ja immer noch nicht kennen, hat auch meine persönliche Haltung zur Kernkraft und ihren Risiken verändert." Ausdrücklich betonte Merkel: "Auch ich habe dazugelernt."

EU-Energiekommissar Oettinger: Abschaltung weiterer Atomkraftwerke in Europa möglich
EU-Energiekommissar Günther Oettinger geht davon aus, dass in Folge des europaweiten Stresstests weitere Atomkraftwerke vom Netz gehen müssen. "Wenn es unvorstellbar wäre, dass bestimmte Kernkraftwerke abgeschaltet werden, könnte man den Stresstest ja gleich sein lassen", sagte Oettinger in einem Interview mit dem Nachrichten-Magazin "Der Spiegel". Es sei unwahrscheinlich, dass alle 143 in der EU existierenden Kernkraftwerke den Stresstest bestehen. "Wenn wir die höchsten Sicherheitsstandards anlegen, kann kein Land von vornherein ausschließen, dass es eventuell seine Kraftwerke nachrüsten oder abschalten muss." Der deutsche EU-Kommissar fordert, am Ausbau neuer Stromnetze und -speicher auch die Verbraucher finanziell zu beteiligen. "Ein Teil der europäischen Netzinfrastruktur muss wohl auch über den Strompreis von morgen finanziert werden", sagte Oettinger. "Ich denke an eine Umlage von etwa einem Cent pro Kilowattstunde, die von den Verbrauchern für diese enorme Aufgabe zu tragen wäre." Gleichzeitig kritisierte Oettinger die deutsche Förderung der erneuerbaren Energien und deren Auswirkung auf die Strompreise. "Preiserhöhungen, wie wir sie in den vergangenen Monaten etwas aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erlebt haben, können wir uns nicht länger leisten." Die Strompreise bewegten sich am Rande dessen, was sozial akzeptabel ist, so Oettinger weiter. "Auch der Erfindungsreichtum der Politik für die Haushaltsfinanzierung muss ein Ende haben."

Japanischer Botschafter findet deutsche Atomangst übertrieben
Der japanische Botschafter in Berlin, Takahiro Shinyo, hat die Angst der Deutschen vor dem Atomunfall in Japan als unbegründet bezeichnet. Dass etwa die Lufthansa Tokio nicht mehr anfliege, halte er für übertrieben, sagte Shinyo der "Rheinischen Post". "Wenn ich hier in Deutschland den Fernseher einschalte, bekomme ich den Eindruck vermittelt, ganz Japan sei verstrahlt. Das ist natürlich falsch. Ich wünsche mir da mehr Gelassenheit", so der Diplomat. Die Debatte hierzulande empfinde er als "sehr, sehr aufgeregt". Andererseits seien er und seine Landsleute zutiefst berührt von der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft der Deutschen. Zu den teils widersprüchlichen Informationen über die Lage am Unglücksreaktor Fukushima sagte Shinyo: "In solch einer Lage gibt es kein völlig perfektes Krisenmanagement". An eine Ausweitung der Evakuierungszone rund um das AKW sei noch nicht gedacht. "Aber natürlich sind wir wachsam." Um der leidenden japanischen Wirtschaft zu helfen, erhofft sich Shinyo die Unterstützung der Bundesregierung, um möglichst schnell ein Freihandelsabkommen mit der EU auszuhandeln.

Kraftwerks-Experte: Deutsche Roboter könnten in Fukushima helfen
Der Atomtechnik-Experte Joachim Knebel hat sich enttäuscht gezeigt, dass noch keine deutschen Roboter bei der Bewältigung der Katastrophe in Fukushima zum Einsatz kamen. Dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte der Mitarbeiter des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die Roboter stünden bei der Kerntechnischen Hilfsdienstgesellschaft (KHG) bereit, einer Einrichtung der deutschen Kernkraftwerksbetreiber. "Leider sind unsere Geräte bis heute nicht angefordert worden. Eigentlich hätte das alles schon vor zwei Wochen passieren müssen." Das KIT habe einen direkten Kontakt zwischen KHG und dem japanischen AKW-Betreiber Tepco hergestellt. "Es hat auch einen Kontakt über die deutsche Botschaft gegeben, so dass ein konkretes deutsches Hilfsangebot bei Tepco vorliegt", so Knebel zu "Focus". Tepco-Mitarbeiter müssten an den komplizierten Robotern geschult werden. Das havarierte Atomkraftwerk hält der promovierte Ingenieur für nicht mehr zu retten: Es müsse "sicher eingeschlossen werden, gekühlt und dann rückgebaut", sagte Knebel. Dringend gelte es, den Hochwasserschutz zu verbessern, um eine Gefährdung vom Meer her auszuschließen. "Wenn das erreicht ist, kann ein Sicherheitsgebäude errichtet werden, das die Reaktoren umschließt und das zudem tsunami- und erdbebensicher ist." Eine "sorgfältig abgewogene Erweiterung der Evakuierungszone" hält Knebel für richtig. Dabei könne es wegen der stark von Wind- und Witterungsverhältnissen beeinflussten unterschiedlichen Kontamination der Landschaft auch nötig sein, Gebiete außerhalb der Evakuierungszone zu räumen.

[dts; ag]