Anlaufstelle Nummer eins ist die mittlerweile völlig überlaufene Insel Lampedusa, die reichlich hundert Kilometer vor der tunesischen Küste liegt, aber bereits italienisches Territorium darstellt. Italien reagierte am Samstag mit der Ausrufung des "humanitären Notstandes" auf der Insel und organisierte den Weitertransport der Flüchtlinge in Auffanglager auf Sizilien und dem italienischen Festland. Der italienische Außenminister Franco Frattini ist am Montag nach Tunis gereist um sich mit dem Interimspräsidenten Ghannouchi zu treffen, wobei das Flüchtlingsthema angesprochen werden soll.

Indes haben sich italienische Pläne, eigene Polizisten in Tunesien zu stationieren, als unrealistisch erwiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plädierte dafür "Probleme in den Heimatländern zu lösen", wobei eine schnelle Lösung kaum zu realisieren sein werde. Die EU hat die Region bislang weder in langfristige politische, ökonomische oder ökologische Pläne eingebunden, noch glaubhafte Perspektiven vermittelt. Darüber hinaus klagen Menschenrechtsorganisationen Italien massiv für seine Kooperation mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi an. Berichten zufolge würden Flüchtlinge geschlagen, misshandelt und unter widrigen Bedingungen eingesperrt werden, sobald die libysche Küstenwache ihrer habhaft wird.

SPD-Innenexperte Edathy fordert Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge

Angesichts der wachsenden Flüchtlingswelle aus Tunesien fordern Politiker der Opposition, afrikanische Migranten auch in Deutschland aufzunehmen. SPD-Innenexperte Sebastian Edathy sagte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass die Asylbewerberzahlen dramatisch gesunken seien. Die Aufnahme eines bestimmten Kontingents sei daher verkraftbar. "Wir brauchen dringend eine europäische Quotenregelung, die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme auf die 27 EU-Länder verteilt", so Edathy.

Auch Grünen-Parteichef Cem Özdemir zeigte sich offen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika. "Der Norden darf den Süden dabei nicht alleine lassen", erklärte Özdemir. CSU-Politiker Hans-Peter Uhl hingegen sagte in der "Passauer Neuen Presse", dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex mehr Zuständigkeiten und mehr Personal brauche, um Flüchtlingsströme abwehren zu können. Hintergrund der Diskussion ist der derzeitige Flüchtlingsstrom aus Tunesien auf die kleine italienische Insel Lampedusa. Seit Mitte Januar sind knapp 5.300 Flüchtlinge auf der Insel angekommen. Etwa die Hälfte von ihnen wurde inzwischen auf andere Lager in Italien verteilt.

[Aktualisierung um 15:57 Uhr]

SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz fordert Regierungserklärung zu Flüchtlingswelle aus Tunesien

Angesichts der massiven Flüchtlingswelle aus Tunesien hat der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. "Ich erwarte, dass sich Bundesinnenminister Thomas de Maiziere in der kommenden Woche vor dem Bundestag dazu äußert, wie die Bundesregierung mit der Situation umgehen will und welche Vorschläge sie für ein solidarisches Vorgehen der EU hat", sagte Wiefelspütz der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe).

"Eine Regierungserklärung wäre dafür ein geeigneter Rahmen". Europäische Solidarität könne bedeuten, dass auch Deutschland Flüchtlinge aus Tunesien aufnehmen müsse, meinte der SPD-Politiker. Zugleich kritisierte er die Haltung der CDU. "Wenn der Reflex in der Union ausschließlich darin besteht, den Grenzschutz zur Abwehr von Flüchtlingen zu verstärken, dann ist das unanständig", erklärte Wiefelspütz.

[dts]