Zur endgültigen Klärung müsse aber das Normenkontrollverfahren noch abgewartet werden, teilte das Gericht am Dienstag mit. Die rot-grüne Landesregierung dürfe bis dahin keine weiteren Kredite für diesen Haushalt aufnehmen. CDU und FDP hatten im Dezember einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen den Etat der Minderheitsregierung gestellt. Nach ihrer Ansicht verstößt die darin vorgesehene Verschuldung von 8,4 Milliarden Euro gegen die Verfassung. Da die NRW Regierung von SPD und Grünen aber schon Transaktionen aus dem Nachtragshaushalt vorgenommen hat, müssen Verpflichtungen jetzt aus Rücklagen oder Sondernvermögen finanziert werden. Finanzminister Walter-Borjans hatte erst vor wenigen Tagen in Köln die Systematik erklärt, dass ihn der Nachtragshaushalt als Gesetz gezwungen habe, die dort beschlossenen Vorgänge als Exekutive umzusetzen. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, denkbar sind auch Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen.

Die Kölner CDU Abgeordneten Christian Möbius, Dr. Martin Schoser und Anna Verpoorten werten das Urteil als Historischen Moment: "Das ist ein historischer Moment. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist ein Nachtragshaushalt durch eine einstweilige Anordnung aufgehalten worden. Ich bin froh, dass die Verfassungsrichter unsere Einschätzung teilen, dass die Schuldenorgie von Frau Kraft und ihrer rot-rot-grünen Mehrheit gegen die Verfassung verstößt" Für Christian Möbius ist diese ein guter Tag für die Menschen in NRW: "Frau Kraft, ihr Finanzminister Norbert Walter-Borjans und der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Börschel, haben eindrücklich gezeigt, dass sie mit den Finanzen dieses Landes heillos überfordert sind."

Linke sehen Urteil über Nachtragshaushalt gelassen
Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Wolfgang Zimmermann, sieht das Urteil des Landesverfassungsgericht zum nordrhein-westfälischen Nachtragshaushalt gelassen. Zimmermann sagte dem "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe), die Festlegungen des Gerichts seien "völlig unschädlich" für die rot-grüne Minderheitsregierung. Auch der Entscheidung im Hauptverfahren sehe seine Partei gelassen entgegen. Zwar sei es vorläufig ausgeschlossen, zusätzliche Kredite auszuschließen, Löcher aber aus vorhandenen Mitteln zu stopfen bleibe ausdrücklich erlaubt. Die von der CDU jetzt geführte Debatte über vorgezogene Neuwahlen nannte Zimmermann "absurd". "Neuwahlen aus diesem Anlass würden beim Bürger nicht gut ankommen". Sie seien teuer und die Wahlbeteiligung würde voraussichtlich noch einmal sinken.

Grüne: Verfassungsgerichts-Spruch hat keine Auswirkungen auf Regierungsfähigkeit
Die Anordnung des NRW-Verfassungsgerichtshofs zum Nachtragshaushalt 2010 hat nach Einschätzung der NRW-Grünen keine Auswirkungen auf die Regierungsfähigkeit der rot-grünen Minderheitsregierung. "Die Landesregierung ist voll handlungsfähig", sagt Sven Lehmann, Landesvorsitzender der Grünen in NRW, der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). "Der Vollzug des Haushalts wurde nicht gestoppt, sondern nur die Aufnahme neuer Kredite", so der Politiker.

In der nordrhein-westfälischen SPD fordern wichtige Stimmen Neuwahlen. Zuvor hatte das Landesverfassungsgericht Kredite für den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung vorerst gestoppt. "Worauf sollen wir noch warten für Neuwahlen?", sagte ein SPD-Vorstandsmitglied der "Frankfurter Rundschau" (Mittwoch-Ausgabe). Sollte das Parlament aufgelöst werden, müsste innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden. "Bis dahin sind unsere Umfragen weiterhin bombig", erklärte der Landespolitiker. Bereits vor dem Richterspruch hatte die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann in einem Interview offen für Neuwahlen geworben. "Ein Scheitern des Haushalts hätte unmittelbare Folgen: Neuwahlen", sagte sie zu Wochenbeginn.

[dts;ag]