Aigner will schärfere Melde- und Kontrollpflichten einführen. Außerdem sollen die Hersteller von Futtermitteln zukünftig eine Zulassung beantragen müssen, die an strenge Auflagen geknüpft sein soll. Weiterhin sollen die Bundesländer regelmäßig umfassende Kontrollen durchführen. Auch die Futtermittelnehmer müssten nach dem Plan der Ministerin ihre Produkte zukünftig strenger kontrollieren und die Futtermittelunternehmen zwingende Haftpflichtversicherungen nachweisen.

Aigner will außerdem das Strafmaß bei Verstößen auf den Prüfstand stellen. Die Ministerin hatte zuvor bereits angekündigt, notfalls auch im nationalen Alleingang die Anforderungen an Unternehmen, die Rohstoffe für Futtermittel liefern, verschärfen zu wollen. So soll europaweit erreicht werden, dass Futterfette nicht in den gleichen Anlagen hergestellt werden, in denen auch Industriefette produziert werden.

Scharfe Kritik am Aktionsplan aus Nordhrein-Westfalen
NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel wirft der Bundesregierung Orientierungslosigkeit beim Kampf gegen Dioxin in Futter- und Lebensmitteln vor.  „Die Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner setzt ihre Politik der letzten Wochen fort: zuerst abtauchen, dann verharmlosen und jetzt in einen orientierungslosen Aktionismus verfallen“, sagte der Minister nach der Vorstellung des Maßnahmenkatalogs der Bundesregierung.  „Einen solchen Aktionsplan, wie die Verbraucherschutzministerin Aigner ihn heute vorgestellt hat, wurde von NRW in großen Teilen bereits Anfang Januar präsentiert. Mehr als Ideenklau kann ich hier nicht feststellen. Wenn das alles ist, brauchen wir keine Bundesverbraucherschutzministerin. Das schaffen die Länder auch alleine."

NRW hatte am 6. Januar 2011 einen 10-Punkte-Plan vorgestellt, in dem unter anderem die Trennung der Produktionsströme, eine Positivliste sowie eine Zulassungs- und Zertifizierungspflicht für die Futtermittelindustrie gefordert wurde. Das NRW-Papier war die Grundlage des gemeinsamen Maßnahmenkatalogs der Bundesländer mit SPD- und Grünen-Beteiligung, das am Donnerstag verabschiedet wurde.

Aigner war zuvor von der Berliner Opposition heftig kritisiert worden. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Ministerin zu entlassen. Unterdessen wurde bekannt, dass Schweine aus einem wegen Dioxin-Funden gesperrten Hof in Niedersachsen in einem Schlachthof in Sachsen-Anhalt weiterverarbeitet wurden.

ZDF-Politbarometer: Verbraucher wollen mehr zahlen für gesunde Lebensmittel
Im ZDF-Politbarometer befürworteten 84 Prozent der Deutschen strengere Gesetze und Kontrollen im Lebensmittelbereich, lediglich 15 Prozent sind der Auffassung, dies sei nicht nötig. Die Erwartung bleibt hier aber weit hinter dem Wunsch zurück: Nur 43 Prozent glauben, dass es auch tatsächlich zu einer Verschärfung der Regelungen kommen wird, eine Mehrheit von 55 Prozent bezweifelt dies. Eine Gefahr für die eigene Gesundheit durch dioxinverseuchte Produkte sehen 46 Prozent der Deutschen, 52 Prozent befürchten keine solche Beeinträchtigung. Mit 79 Prozent signalisieren die weitaus meisten Befragten Bereitschaft, für bessere Lebensmittel auch einen höheren Preis zu bezahlen, nur 19 Prozent lehnen dies ab.

[Aktualisierung um 17:19 Uhr]
Foodwatch gegen Rücktritt von Agrarministerin Aigner
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat sich gegen einen Rücktritt von Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) ausgesprochen. "Das würde doch nur davon ablenken, was politisch zu tun ist", sagte Geschäftsführer Thilo Bode dem "Tagesspiegel". "Frau Aigner ist eine Gefangene des Systems", betonte der Verbraucherschützer. Auch ihre Vorgänger, Horst Seehofer und Renate Künast, hätten sich nicht an die Futtermittelindustrie herangetraut. Um die Verquickung von Politik und Wirtschaft aufzuheben, fordert Foodwatch stattdessen ein eigenes Verbraucherschutzministerium.

Das Ministerium, das in seinem derzeitigen Zuschnitt für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig ist, nenne sich zwar Verbraucherschutzministerium. In Wirklichkeit sei es aber ein "Klientelministerium" für die Ernährungswirtschaft und die Bauern, kritisierte Bode. Anders als Aigner, die von einzelnen schwarzem Schafen in der Futtermittelindustrie spricht, glaubt Bode, dass Panschereien in der Futtermittelindustrie üblich seien. Es fehle an gesetzlichen Vorgaben und Kontrollen. "Das Futtermittelrecht lädt förmlich zum Missbrauch ein", sagte der Verbraucherschützer. "Es ist so, als ob man einen Wagen in einer dunklen Seitenstraße mit laufendem Motor abstellt. Da ist es so doch kein Wunder, wenn einer vorbeikommt und mit dem Auto wegfährt."

dts+dn