Unterdessen fordert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel härtere Konsequenzen im aktuellen Dioxin-Skandal. "Die Futtermittelmafia ist eine Form der international operierenden Kriminalität", sagte Gabriel dem "Tagesspiegel" (Freitagausgabe) und forderte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf, das Bundeskriminalamt einzuschalten. Für die Zukunft forderte Gabriel den Austausch der Selbstkontrolle der Lebensmittelindustrie durch ein staatliches Kontrollsystem.

SPD-Chef Gabriel fordert auch härtere Kontrollen und Einschaltung des BKA
Im bundesweiten Dioxin-Skandal fordert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel jetzt härtere Konsequenzen. "Die Futtermittelmafia ist eine Form der international operierenden Kriminalität", sagte Gabriel dem Tagesspiegel (Freitagausgabe) und forderte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf, das Bundeskriminalamt einzuschalten. De Maizère müsse "die offensichtlich überforderte" Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) unterstützen und sich dieser "gemeingefährlichen Kriminalitätsform" annehmen. Zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit sollten außerdem Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden. Gleichzeitig sei es notwendig, sagte Gabriel, Insider, die Lebensmittelvergiftungen anzeigen, besser zu schützen. Für die Zukunft forderte Gabriel den Austausch der Selbstkontrolle der Lebensmittelindustrie durch ein staatliches Kontrollsystem. Derzeit habe "jede Dönerbude schärfere Kontrolle durch das Gesundheitsamt zu fürchten als die Futtermittelindustrie", sagte Gabriel.

CSU-Politiker Friedrich attackiert Künast wegen Rücktrittsforderung
Die CSU hat die Rücktrittsforderung der Grünen gegen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner scharf zurückgewiesen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast habe sich in ihrer Zeit als Verbraucherschutzministerin selbst "weder beim Fischmehlskandal noch beim Nitrofenskandal um Bioprodukte mit Ruhm bekleckert", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Künast hatte Aigner als "Totalausfall" bezeichnet. "Seit Frau Künast in Berlin an Zustimmung verliert, wird sie immer bissiger", sagte Friedrich. Bei ihr selbst gelte aber: "laut schreien, großer Aktionismus, keine Ergebnisse". Aigner hingegen habe für den Ausweg aus der Dioxin-Krise "längst ein durchdachtes, wirksames Konzept präsentiert", betonte Friedrich.

Ernährungsindustrie erwartet bis zu 20 Prozent Umsatzverlust
Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel ist wegen des Dioxin-Skandals in Einzelbereichen von hohen Umsatzverlusten betroffen. Das meldet die "Bild"-Zeitung (Freitagausgabe) unter Berufung auf Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Der Vorsitzende des Verbands, Jürgen Abraham, sagte dem Blatt: "Nach Bekanntwerden verseuchter Futtermittelbestände ist der Umsatz mit Eiern im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent eingebrochen. Bei Schweinefleisch und Geflügel lagen die Rückgänge bei jeweils zehn Prozent." Abraham weiter: "Ursache ist eindeutig das kriminelle Verhalten eines Unternehmens und das Versagen der Kontrollbehörden, das solche Dinge ermöglicht. Es gibt zu wenig Kontrolldruck. In Deutschland fehlen bis zu 1500 Lebensmittelkontrolleure."

Verbraucherzentralen kritisieren "föderale Kleinstaaterei" bei Kontrollen
Als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen ein stärkeres Eingreifen des Bundes bei der Lebensmittelkontrolle gefordert. "Es fehlte an Kontrollen, und es wurde versäumt, die Kontrollinstanzen bundeseinheitlich aufzustellen", sagte Verbandschef Gerd Billen dem Berliner "Tagesspiegel" (Freitagsausgabe). Es sei nicht akzeptabel, dass für Kontrollen teilweise kommunale Angestellte zuständig und die Rechtswege von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich seien. "Wir leben inzwischen in einem globalen Markt, die Lebensmittel kommen von überall. Doch bei der Überwachung haben wir noch immer eine föderale Kleinstaaterei."

Billen forderte klare Vorschriften für die Futtermittelindustrie. Bei den weiterhin nötigen Eigenkontrollen müsse es die Pflicht geben, alle Ergebnisse an die Behörden weiterzugeben. Beauftragte Labore müssten verpflichtet werden, alle Grenzwertüberschreitungen zu melden. Und die staatlichen Lebensmittelbehörden sollten ihre Untersuchungsergebnisse künftig "unter Nennung von Ross und Reiter veröffentlichen" müssen. Daneben brauche es höhere Anforderungen an die Qualität der Futtermittel. "Es kann nicht sein, dass alles in die Verwertung zur Futtermittelherstellung gedrückt wird, was als Nebenprodukt aus industrieller Verarbeitung kommt", sagte der Verbandschef. Nötig wäre aus seiner Sicht etwa eine "verbindliche Positivliste für alle Futtermittelbestandteile". Diesbezüglich müsse die Verbraucherministerin auf europäischer Ebene Druck machen. Um Kriminalität in der Branche einzudämmen, müsse auch ein höheres Strafmaß geprüft werden, drängte Billen. Zudem müsse garantiert sein, dass der finanzielle Schaden am Ende von den Verursachern beglichen werden könne. "Ob das eine Fondslösung für die Branche ist oder ob das Versicherungslösungen sind: Jeder Lieferant von Futtermittelkomponenten sollte künftig nachweisen müssen, dass er auch in der Lage ist, den Schaden zu bezahlen, wenn durch seine Schuld Gifte in die Nahrung gelangen."

[dts]