Der Giesberts-Lewin-Preis steht für Völkerverständigung und Toleranz. Benannt nach Johannes Giesberts und Dr. Shaul Lewin, die sich schon früh nach Ende des zweiten Weltlkriegs für die Versöhnung zwischen Israelis und Deutschen im speziellen zwischen Köln und Tel Aviv einsetzten. Bisherige Preisträger waren Ralph Giordano, Gunter Demnig, Günter Wallraff und Heiner Lichtenstein. Der Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit, Jürgen Wilhelm würdigte in der Laudatio die poltische Arbeit und Stationen von Gerhart Baum und seine Haltung auch gegen den Mainstream politisch zu agieren. Wilhelm stellte Baums Engagement bei der Aufarbeitung der Verbrechen der Nazidiktatur heraus, aber auch von Strukturen antidemokratischer Bewegungen oder gegen Überwachungsstaat. Wilhelm: "Gerhart Baum hat, im Gegensatz zu vielen anderen in der Politik, Öffentlichkeit und Medien, die Lehren aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen, in dem er nicht nur für Datenschutz und persönliche Freiheitsrechte, sondern generell für den Ausbau der Demokratie durch Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger eintritt."

Gerhart Baum schilderte seine Beweggründe: "Ich habe dann miterlebt, wie noch lange Zeit das Nazidenken in Teilen der Gesellschaft  verankert war. Ich hatte Zweifel, ob das demokratische Projekt gelingen würde. Viele forderten einen Schlussstrich, bis hin zur Verjährung von Mord. Es wurde z. B. überhaupt nicht wahrgenommen, dass sich viele Juristen wissend an Justizmorden beteiligt hatten." Baum sieht, dass sich die deutsche Demokratie verändert habe, es habe keinen Schlussstrich gegeben, sondern das Erinnern an die Nazidiktatur sei ein aktiver Prozess geworden, der die Demokratie gestärkt habe. Dennoch mahnte Baum auch, etwa das die Islamfeindlichkeit und rechtspopulistische Einstellungen in Gruppen mit höherem Einkommen zunehmen und die Gefahr bestehe, dass das Bürgertum verrohe. Der Diskussion einer religiös geprägten Leitkulturdebatte erklärte Baum eine Absage und forderte auf sich einer europäischen Leitkultur zu öffnen – getragen von einer wirklich europäischen Zvilgesellschaft, die es aber noch nicht gebe.

Baum hielt ein Plädoyer für die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit, das Demonstrationsrecht und das Asylrecht, Rechte die im Grundgesetz festgeschrieben sind, die aber zu wenig geachtet werden. Er warnte Parlamentarismus- und Demokratieverdrossenheit und vor immer neuen Sicherheitsgesetzen, die die individuelle Freiheit einschränken. Baum sieht den "Präventionsstaat", wie er die immer umfangreichere Risikosteuerung nennt, auf dem Vormarsch und nennt ihn "unersättlich": "In seiner Logik liegt es, dem Bürger immer mehr Freiheit zu nehmen und ihm dafür angebliche Sicherheit zu geben." Die Menschenrechte sind für Baum genausowenig verhandelbar und anderen Zielen unterzuordnen. "Die Freiheit, meine Damen und Herren, sie schenkt sich nicht. Wir müssen sie immer wieder leben und erkämpfen", gab er den Festgästen mit auf den Weg.

Zur Person
Gerhart Baum wurde 1932 in Dresden geboren, floh mit seiner Familie 1945 nach Bayern und kam 1950 nach Köln. Baum studierte Jura und wurde Rechtsanwalt in Köln. Von 1972-1994 war Baum Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1978 bis 1982 Bundesminister des Inneren. Nach seiner aktiven politischen Zeit war Baum UNO-Beauftragter für die Menschenrechte im Sudan. Als Anwalt engagierte sich Baum im Verbraucherschutz, Datenschutz oder als Anwalt der Opfer der Love-Parade.

Die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit setzt sich für die Bewahrung der Menschenwürde und für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher nationaler, religiöser, weltanschaulicher und sozialer Herkunft in Köln, für einen geschwisterlichen Dialog zwischen Christen und Juden und für ein tieferes Verständnis der Weltreligionen.

Andi Goral für report-k.de | Kölns Internetzeitung