Wie eine Landkarte bieten sich die Bilder dem Auge des Betrachters dar. Ornamente, Landschaften und Mythologie vereinen sich zwischen den schwungvollen Linien, Punkten und farbigen Flächen. Insbesondere Clifford Possum Tjapaltjarri erzählt in seiner Arbeit Dingo Dreaming gleich mehrere Geschichten. Gemalt hat er sein Bild dabei auf dem Boden. Passend dazu hat er die Vogelperspektive auf seine Landschaft gewählt. Zwischen Wüstenfarben mischen sich Buschblumen sowie Spuren von Menschen und Hunden. Mitten im Bild: eine klaffende Wunde als Zeichen der Zerstörung seiner Welt. Auch wenn gerade ohne Hintergrundwissen nicht alle erzählte Geschichten für den westlichen Betrachter erfahrbar sind, entfalten die Bilder in ihrer eigenen Dynamik Anziehungskraft.

Kunst in der Spannung zwischen Zeremonie und Moderne
Die zeitgenössische Malerei der Aborigines entwickelte sich aus ganz unterschiedlichen Gründen in gleich mehreren Zentren in Australien. Gemeinsam ist den Bildern ihre Spannung zwischen Tradition und Moderne. Dabei vereinen die Werke mehrere Dimensionen. So können zahlreiche Arbeiten als abstrakte und verfremdete Landkarten der Landschaften betrachtet werden. Zugleich erzählen die Bilder so genannte Dreamings, Schöpfungsgeschichten der Aborigines. Dabei ist das Malen der Bilder selbst Teil des Dreamings. So gehören Körpermalereien und Sandbilder zu den Zeremonien der Aborignies. Die Muster werden von den Künstlern zum einen in ihren zeitgenössischen Werken übertragen, zum anderen wird ihr Malen selbst zur Zeremonie. Viele Aborigines-Künstler werden erst durch Initiationsriten zum Malen befähigt. Dabei hat jeder Künstler seine eigene Sprache entwickelt, um seine Tradition und Kultur in die Moderne zu übersetzen.

Gerade diese Gemeinsamkeit und doch Vielfältigkeit der Aborigines-Kunst versucht die Sonderschau im Museum Ludwig erfahrbar zu machen. Insgesamt zeigt sie neun verschiedene Positionen der zeitgenössischen Aborigines-Malerei. So verabschieden sich etwa Emily Kame Kngwarreye und Dorothy Napangardi zunehmend von der Darstellung konkreter Erzählungen und entwickeln eine abstrakte Malerei, die dennoch erdverbunden ist. Clifford Possum Tjapaltjarri und sein Bruder Tim Leura Tjapaltjarri fügen in ihren frühen Arbeiten gleich mehrere verschiedene Erzählungen in einem Bild zu einem Gesamten zusammen. Rover Thomas, Queenie McKenzie und Paddy Beforf kombinieren dagegen in ihren Arbeiten die mythologische Erzählung mit historischen Ereignissen und Schrecken durch die Kolonialisierung.


Foto: Ausstellung "Remembering Forward" im Museum Ludwig


“Ästhetisch überraschend und künstlerisch überzeugend“
„Die Ausstellung ist mir eine persönliche Herzensangelegenheit“, erklärte heute Kasper König, Direktor des Museums Ludwig. Denn seit Jahren wollte er schon die Malerei der Aborigines erforschen, die seit den 1970er Jahren weltweit eine erstaunlich Popularität erreicht. Eine Einladung zur Sydney-Biennale 2008 machte es ihm endlich möglich. Und nach zwei Jahren intensiver Beschäftigung mit dieser zeitgenössischen Kunst urteilte König heute: „Sie ist ästhetisch überraschend und künstlerisch überzeugend.“ Besonders spannend ist dabei für König, die Abstrahiertheit und Energie der Bilder. „Unser westlicher Blick kann die Komplexität der Arbeiten gar nicht erfassen“, so König weiter.

Aborigines-Kunst als Produkt weißer Lust?
Die Präsentation der Werke überlässt dem Besucher die Wahl: Die Schau selbst verzichtet auf erklärende Wandtexte und lässt die Bilder an sich wirken. Wer darüber hinaus Hintergrundinformationen wünscht, kann sich gleich auf mehreren Wegen informieren. Per internetfähigem Handy oder App können direkt im Museum Texte zu den einzelnen Künstlern und Bildern gelesen werden. Wer sein Handy nicht dabei hat, kann die Programm an zwei Computern im letzten Raum der Ausstellung abrufen. Zugleich bietet der Ausstellungs-Begleiter erste Informationen zu der Kunst der Aborigines und den einzelnen Künstlern. Erworben werden kann außerdem ein Katalog zur Schau mit neueren Forschungsberichten. Darin kommt auch Richard Bell zu Wort, der eine recht provokante Theorie zur zeitgenössischen Malerei der Aborogines entwirft. So betrachtet er sie als Produkt der Kolonialisierung. So hätten die Weißen erst in ihrer Lust an fremder Kunst der Aborigines entstehen lassen. Tatsächlich sind die meisten der in Köln gezeigten Bilder so etwas wie Auftragsarbeiten. Ob das den künstlerischen Wert der Bilder selbst schmälert, muss wohl jeder Betrachter für sich selbst entscheiden.

Infobox
Remembering Forward
20. November 2010 bis 20. März 2011
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz, 5067 Köln

Öffnungszeiten
Di bis So: 10 bis 18 Uhr
Jeden 1. Do im Monat: 10 bis 22 Uhr
Montags geschlossen

Eintritt:
10 Euro, erm. 7 Euro
Am 1. Donnerstag im Monat gilt ab 17 Uhr ein um 50 Prozent reduzierter Eintruittspreis für die Sammlung und alle Sonderausstellungen von 5 Euro

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung