„Auch wenn ich weiß, dass es bloß eine Puppe ist, geht der Puls bei mir hoch“
Hilfeschreie ertönen hinter der Tür. Student Alexander (9. Semester) stürmt mit seinen Kommilitonen in den Raum. Er weiß nicht, was ihn hinter der Tür erwarten wird. Sein Patient scheint zunächst ansprechbar. Doch plötzlich fällt der Puls, die Atmung setzt aus. Alexander handelt schnell. Er beginnt mit der Herzmassage, während sein Kommilitone die Atemmaske vorbereitet. Es dauert, bis sich Atmung und Puls des Patienten stabilisieren. Doch Alexander ist zufrieden. Er hat alles richtig gemacht. Wäre sein Patient ein Mensch, hätte er ihm wohl das Leben gerettet.

Nach der Übung ist Alexander so erschöpft, wie nach einem echten Notfall. Denn die Simulation ist täuschend echt. Die menschengroße Kunststoffpuppe steckt voller Hightech. Sie kann „ja“ und „nein“ sagen, stöhnen und Brechgeräusche von sich geben kann. Zudem lässt sich über eine Fernsteuerung Körperfunktionen der Puppe – hier vor allem Atmung und Puls – direkt ändern. Mitten im Gespräch kann die Puppe so einen plötzlichen Herzschlag erleiden. „Auch wenn ich weiß, dass es bloß eine Puppe ist, geht der Puls bei mir hoch“, erzählt Alexander. Während er mit seinem Patienten allein im Übungsraum war, wurde er von seinen Kommilitonen und seinem Dozenten im Seminarraum eine Etage höher beobachtet. Alle Übungsräume sind mit Kameras ausgestattet und können in die verschiedenen Seminarräume projiziert werden. So ist der Student bei seinem Notfall ganz auf sich allein gestellt und kann dennoch von der Gruppe beobachtet werden.


Foto: Studenten üben Herzmassage und Beatmun bei einem Notfall


Unfallaufnahme mit atmender Puppe
Die Simulation der Ersten Hilfe ist nur eine von vielen möglichen Übungsszenarien. In anderen Übungsräumen können Geburten, Lungenerkrankungen, Blutabnahmen und sogar Knieoperationen täuschend echt simuliert werden. Das absolute Highlight des neuen Studierendenhauses: Ein Krankenhauszimmer zu ersten Unfallaufnahme. Die Puppe hier ist an echte Krankenhaus-Geräte angeschlossen, atmet und bewegt ihre Lieder. Darüber hinaus reagiert ihr Körper auf Medikamente, die Studenten ihr verabreichen. Über ein Mirkofon aus dem Nebenzimmer kann der Dozent die Puppe zudem sprechen lassen. Allein Puppe und die Ausstattung des gesamten Raumes haben rund 100.000 Euro gekostet.

Studenten kritisieren „Missbrauch von Studiengebühren“
Insgesamt hat das neue Studierendenhaus rund sieben Millionen Euro gekostet. 40 Prozent davon wurden aus Studiengebühren finanziert. „Ein gutes Beispiel, wie die Beiträge für die Studierenden verwendet werden“, betonet heute Axel Freimuth, Direktor der Universität zu Köln. Während sich einige Medizinstudenten über die neuen Möglichkeiten ihrer Ausbildung zu freuen scheinen – sie sprachen sich in einem Beirat der Fakultät für diesen Einsatz ihrer Gebühren aus – , stößt das neue Gebäude bei einigen ihrer Kommilitonen auf Kritik. So demonstrierten heute rund 20 Studenten der Medizinischen Fakultät mit Plakaten „Missbrauch von Studiengebühren“ vor dem Haus. Sie werfen der Uni Köln vor, dass ursprüngliche Baupläne und ein Gutachten über die Rechtmäßigkeit der Finanzierung des Studierendenhauses mittels Studiengebühren nicht öffentlich einsehbar seien. Zudem fragen sie, ob der Bau zur Grundausstattung gehört. Denn dann dürften Studiengebühren dafür nicht eingesetzt werden.

Uniklinik und Studenten in symbolischer Nähe
Die Uni Köln feiert ihr neues Haus dagegen als Zeichen einer Bildungsreform innerhalb der Medizin. Denn neben den Lehr- und Übungsräumen für Studenten ist auch der Vorstand der Uniklinik Köln nun im neuen Gebäude untergebracht. Die räumliche Nähe sei ein Symbol für die moderne, praxisorientierte Ausbildung an der Uni Köln, erklärte heute Prof. Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Uniklinik. Das sei wichtig, um gut qualifiziertes Personal zu bekommen. Denn oftmals wären Studenten zuvor zwar theoretisch sehr gut geschult gewesen, könnten im Krankenhaus jedoch kaum praktisch mithelfen. Zur praktischen Vorbereitung auf den Arztberuf gehört auch das Gespräch un der Umgang mit Patienten. Den können Studenten nun an lebendigen Schauspielern im neuen Studierendenhaus erlernen. Gelernte Schauspieler, aber auch Laien wurden dazu in ihrer Krankheit angelernt – mit allen Symptomen und individuellen Charakterzügen.

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung