Olaf Scholz am 16.10.2024 bei seiner Regierungserklärung im Deutschen Bundestag. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Berlin | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seiner Regierungserklärung am Dienstag der Union vorgeworfen, die Beschäftigten in Deutschland zu beschimpfen.

„Respekt vor denen, die arbeiten, heißt übrigens nicht, dass man sie alle jeden Morgen einmal als faul beschimpft, wie das in der Union offenbar wohl geworden ist“, sagte Scholz. „Herr Merz kann gar nicht aus dem Bett steigen, ohne einmal zu sagen, hier wird zu wenig gearbeitet – bei der größten Zahl von Erwerbstätigen, die es in Deutschland überhaupt gibt.“

Es werde „immer wieder verschwiegen“, dass die Vollzeitbeschäftigten in Deutschland mit 40,4 geleisteten Stunden im Mittelfeld der Europäischen Union liegen. „Und dass wir diese gefälschten Zahlen sehen, liegt daran, dass die Familienpolitik der Union immer schlecht war für Familien mit Kindern, dass es nicht genug Kita-Plätze gibt, dass es nicht genug Ganztagsangebote gibt, dass es nicht genug familienfreundliche Angebote gibt“, so Scholz.

Jeden Tag müssten sich in diesem Land Familien damit herumschlagen, wie sie arbeiten können. „Und dann hören Sie im Fernsehen, dass sie faul sind, obwohl sie Arbeit und Kinder miteinander zusammenbringen müssen. Das ist die falsche Haltung“, sagte der SPD-Politiker. „Und verehrter Herr Merz, Leistungsträger sind in dieser Gesellschaft nicht nur diejenigen, die ein paar hunderttausend Euro verdienen, auch das ist mir wichtig.“

Angesichts der anhaltenden Wirtschaftsflaute kündigte der Kanzler einen Gipfel mit Industrievertretern an. „Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen und auch auf den Weg bringen, damit es vorangeht in Deutschland.“ Zudem sprach er sich für weitere Freihandelsabkommen und einen Abbau der Berichtspflichten seitens der EU aus.

Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) antwortete darauf in seiner Rede, dass man natürlich in Deutschland ein Problem habe. Man habe eine „erhebliche Zunahme der Beschäftigung“, aber „keine Zunahme der geleisteten Arbeitsstunden“, so Merz. Die Produktivität Deutschlands „habe nicht zugenommen, auch nicht in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung“, sagte er in Richtung von Scholz. „Die Tatsache ist doch, dass wir in Ihrer Regierungsverantwortung den höchsten Kapitalabfluss haben, den es jemals in der Geschichte der Bundesrepublik in einer so kurzen Zeit gegeben hat.“

Der Kanzler zur Lage in Nahost

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seiner Regierungserklärung mit Blick auf die Lage im Nahen Osten ein Machtwort gesprochen, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Berichten zufolge neue Waffenlieferungen an Israel an enge Bedingungen knüpfen wollte. „Israel kann sich auf unsere Solidarität verlassen. Jetzt und auch in aller Zukunft“, sagte er am Mittwoch im Bundestag.

Solidarität bedeute in diesem Fall immer auch, dass man Israel in die Lage versetze und in der Lage halte, sein eigenes Land zu verteidigen. „Und deswegen haben wir in der Vergangenheit Waffen und Rüstungsgüter geliefert. Es gibt Lieferungen und wird auch in Zukunft weitere Lieferungen geben.“

Die Angriffe der israelischen Armee auf die Unifil-Mission im Libanon, an der auch deutsche Soldaten beteiligt sind, sprach Scholz nur indirekt an. „Im Norden muss es zu einer Waffenruhe kommen, ganz klar entlang der Resolution der Vereinten Nationen 1.701. Und klar ist auch, wir werden nicht akzeptieren, wenn der Iran mit Raketen Israel angreift“, sagte der Kanzler.

Zuvor war bekannt geworden, dass die US-Regierung Israels Regierung dazu aufgefordert hat, innerhalb von 30 Tagen mehr humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza zu gewährleisten. Sollte die israelische Regierung die Maßnahmen nicht dauerhaft umsetzen, drohten Konsequenzen nach einem US-Memorandum und weiteren relevanten Gesetzen, heißt es in einem auf vergangenen Sonntag datierten Brief von US-Außenminister Antony Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, über den zuerst Axios berichtet hat. Konkret könnte dies den Stopp bestimmter Waffenlieferungen an Israel zur Folge haben.


Mit Material der dts nachrichtenagentur