Paula Wöhler – Eine Kölnerin zum Tode verurteilt
Die Kölner Näherin Paula Wöhler starb am 3. Juni 1942 durch die Guillotine im Kölner „Klingelpütz“. Sie war von der Kölner Justiz zum Tode verurteilt worden, weil sie nach dem 1000-Bomber-Angriff vom 31. Mai 1942 ihre Nachbarin bestohlen hatte. Sie selbst hatten einen Großteil ihres Besitzes durch den Bombenangriff verloren. Bei den Aufräumarbeiten nahm sie nun einige Kleidungsstücke, einen Koffer sowie zwei Blechdosen Kaffee der Nachbarin an sich. Nur drei Tage später wurde sie getötet. Darüber hinaus ließ das Regimes 700 blutrote Plakate drucken, die ihren Namen und das Todesurteil für „Plünderei“ öffentlich verkündeten.

Für den Historiker und Autor Thomas Roth ist die Geschichte von Paula Wöhler ein „Paradebeispiel“ für die nationalsozialistische „Verbrechensbekämpfung“. So habe sich die Tötung von Rechtsbrechern im Verlauf der 1930er und 1940er Jahre zu einem üblichen Mittel des Regimes entwickelt. Harte Strafen auch gegenüber kleineren Delikten sollten die Bürger abschrecken. So fällte die Kölner Justiz eine dreistellige Zahl von Todesurteilen. Die örtliche Polizei wies zugleich weit über 1.000 Menschen als „Verbrecher“ in Konzentrationslager ein. In seinem nun erschienenen Buch „’Verbrechensbekämpfung’ und soziale Ausgrenzung im nationalsozialistischen Köln“ ermittelt er anhand von mehreren tausend Fallgeschichten von Kölnern während der NS-Zeit die Muster der „Verbrechensbekämpfung“. Darüber hinaus analysiert Roth, welch tragende Rolle Kriminalpolizei und Strafjustiz in der NS-Diktatur spielten. Er beleuchtet neben der Perspektive der Täter auch die der Betroffenen und zeigt auf, wie weitgehend die Kölner Bevölkerung die NS-Kriminalpolitik unterstütze.


Foto: Plakat, das vom NS-Regime in Köln aufgehängt wurde


“Verbrecher“ als dankbares Feindbild
Das Widersprüchliche der Kriminalpolitik: Während das NS-Regime mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz einige Rechtsbrüche hart bestrafte, rief der Staat zugleich zu Verbrechen gegen einige „Randgruppen“ auf. Dazu entwickelte der Staat ein Netz der Kontrolle, dass Verbrecher ihrer Rechte beraubte, sie lückenlos registrierte und „rassenhygienisch“ begutachtete. Der „Verbrecher“ war für den Staat ein wichtiges Feindbild, konnte er doch mithilfe der Bestrafung die eigene „Stärke“ und „Sicherheit“ sowie durch Amnestie zugleich auch „Milde“ belegen. Im Verlauf des Krieges weitete sich der Kreis der „Verbrecher“ jedoch immer weiter aus. Nicht nur „Randgruppen“ und Feindbilder wurden als Kriminelle verfolgt, sondern eben auch „gewöhnliche“ Bürger wie die Näherin Paula Wöhler.

Der Mythos „Sicherheit und Ordnung“
Dadurch verlor das Regime ab etwa Ende 1944 zunehmend die Zustimmung der Bevölkerung. Hatte diese zunächst viele Facetten der Kriminalpolitik begrüßt – etwa die Vertreibungsaktionen gegen Bettler, die „Säuberung“ der Innenstadt von Prostituierten und harte Strafen gegen „Volksschädlinge“ –  schwang die Stimmung in der zweiten Kriegshälfte um, als vorher unauffällige Bürger gar Nachbarn oder Bekannte zum Tod verurteilt wurden. Zugleich galten kleinere Diebstähle oder Betrügereien je länger der Krieg andauerte als legitime „Nothilfe“. Trotzdem sei die Stabilität des NS-Regimes nie in Frage gestellt worden, meint Roth. Erst in den 1990er Jahren habe man die Kriminalpolitik des NS-Staates grundsätzlich in Frage gestellt und mit dem Mythos des „Sicherheit und Ordnung“ schaffenden Regimes aufgeräumt.

Roths Arbeit entstand als Dissertation an der Universität zu Köln, die sein Buch dafür mit dem Köln-Preis 2007 auszeichnete. Als 850 Seiten starkes Werk ist das Werk nun als Band 15 der Schriftenreihe des NS-Dokumentationszentrums (NS-Dok) im Emons-Verlag erschienen. Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dok, bewertete heute das Buch als „weit mehr als eine … Spezialstudie zur Kriminalpolizei und Justiz“. Sie biete darüber hinaus „Antworten auf die gesamte Stadtgeschichte der Kölner NS-Zeit“, so Jung.



Infobox
„Verbrechensbekämpfung“ und soziale Ausgrenzung im nationalsozialistischen Köln“
Thomas Roth
Band 15 der Schriftenreihe des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln
Emons-Verlag
1. Auflage 2010
848 Seiten
36 Euro

ISBN: 978-3-89705-579-7

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
[Plakat: NS-Dok]