Die glorreichen Zeiten der rheinischen Erzrivalen 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach liegen zwar schon drei Dekaden zurück, doch noch nie waren die Aussichten so trostlos wie vor dem 76. Bundesliga-Duell (20.30 Uhr/live bei Sky und Liga total). Der Verlierer der Partie ist wieder endgültig im Abstiegskampf angekommen. Während die Borussia mit 30 Punkten noch etwas über dem Strich steht, ist das Eis in Köln mit 27 Zählern schon dünner. Sechs Spiele in Folge ist der FC ohne Sieg, zuletzt mit einer unterirdischen Leistung trotz einstündiger Überzahl beim 0:1 in Mainz. "Mit einer Leistung wie in Mainz wird Köln gegen keine Bundesliga-Mannschaft gewinnen", sagte der einstige Erfolgstrainer Udo Lattek. Der hatte beim FC als Sportdirektor Ende der 80er Jahre erfolgreich gearbeitet. Als Kern der Krise hat der 75-Jährige vor allem die Person Lukas Podolski ausgemacht. Der Nationalspieler ist seit seiner Rückkehr die Überperson. Damit scheinen sich andere Stars wie Torjäger Milivoje Novakovic oder der Portugiese Maniche schwer zu tun. Latteck sagte: "Die anderen Spieler sagen, dann soll er auch alleine spielen. Er verdient soviel Geld, warum sollen wir für ihn rennen?"

Podolski vermisst "Wir-Gefühl"
"Prinz Poldi", seit seiner Rückkehr von Bayern München in der Liga nur zweimal erfolgreich, vermisst unterdessen das "Familien-, das FC-, das Wir-Gefühl", das die Mannschaft beim 1:1 gegen Bayern München gezeigt habe. "Mir fehlt so ein Gefühl: Wir sind eine Macht! Wir sind der FC", sagte Podolski einer Kölner Boulevardzeitung. Von einer Macht, vor allem im eigenen Stadion, sind die Kölner seit längerem Lichtjahre entfernt. Sechs Siege in 30 Spielen in der WM-Arena seit dem Aufstieg 2008 stehen zu Buche – und jetzt kommt auch noch Gladbach. Gegen den fünfmaligen Meister hat Köln 20 Mal zu Hause verloren, so viel wie gegen keine andere Mannschaft. Auch daran hält man sich im Lager der Borussen, die seit vier Spielen auf einen Dreier warten, ein wenig fest.

"Das Derby war für mich immer das Spiel der Saison", sagte Trainer Michael Frontzeck und fügte mit Blick auf seine aktiven Zeiten im Borussia-Trikot an: "Wir waren damals immer auf Augenhöhe mit Köln. Das sehe ich jetzt auch so. Wenn wir die drei Punkte Vorsprung auf den FC halten, wäre das gut. Es wäre aber auch schön, wenn wir nach dem Spiel sechs Punkte Vorsprung hätten."

Polizei-Großaufgebot bei Rhein-Derby
Neben der sportlichen Rivalität fürchten sich viele bei dem heutigen Derby vor gewaltbereiten Fans. "Schade, dass die Rivalität solche Ausmaße angenommen hat. Das war damals anders", sagte Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof, der für beide Klubs gespielt hat. Ein Großaufgebot der Polizei, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen sowie eindringliche Appelle der Klubs sollen eine Eskalierung zwischen den verfeindeten Fangruppen verhindern. Doch die Ansetzung des Hochsicherheitsspiels für den Freitagabend sorgt für zusätzlichen Zündstoff. Am Freitagabend befürchten viele aufgrund der Dunkelheit ein höheres Gewaltpotenzial. "Wir sind alle nicht glücklich damit", sagte Borussias Sportdirektor Max Eberl. Die DFL rechtfertige die Ansetzung damit, dass die ZIS zum Zeitpunkt der Ansetzung Mitte Dezember keine Einwände gegen den Termin vorgebracht habe. "Wir haben die Sicherheitsvorkehrungen auf ein Höchstmaß geschraubt. Ich gehe davon aus, dass man als Zuschauer, wenn auch begleitet von vielen Restriktionen, sicheren Fußes in und auch wieder aus dem Stadion kommen und sich die 90 Minuten sicher anschauen kann", sagte Kölns Manager Michael Meier. Er hoffe, dass auch das "überemotionale Derby als normales Fußballspiel" ablaufen werde.

Stark erhöhte Sicherheitsvorkehrungen
Doch angesichts des von Polizei, Klubs und der Stadt geschnürten Sicherheits-Pakets kann von einem normalen Spiel keine Rede sein – rund um die Kölner Arena und in der Stadt herrscht der Ausnahmezustand. Mehrere Hundertschaften der Polizei sollen für Sicherheit sorgen, dazu stockt der FC die Zahl der Ordnungskräfte noch einmal um 20 Prozent auf. Im Stadion sowie in den Zügen der Deutschen Bahn aus dem Raum Mönchengladbach kommend herrscht Alkoholverbot. Der Kartenverkauf an die 4500 erwarteten Gästefans erfolgte personalisiert. Um Randalierer aus der Innenstadt fernzuhalten, werden 200 Kölner und 58 Gladbacher Anhänger, die der gewaltbereiten Fankategorie C zugeordnet sind, von Freitagmittag (12 Uhr) bis Samstagnacht (1.00 Uhr) unter Androhung von Geldstrafen in Höhe von 500 Euro mit einem Betretungsverbot belegt. "Es muss keiner Angst vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen haben", sagte Christoph Gilles, Sprecher der Kölner Polizei, dem kicker. Über die genaue Anzahl an Beamten sowie die Taktik der Polizei wollte er keine Auskünfte geben.

Klubs wenden sich in gemeinsamer Erklärung gegen Gewalt
Zudem versuchten im Vorfeld des Spiels die Klubs mit Appellen an die Fans deeskalierend einzuwirken. Beide Vereine wollen ein Derby mit allem Drum und Dran, aber ohne Provokationen oder Gewalt, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. "Wenn der Dialog verloren geht, dann haben wir kriegsähnliche Zustände", sagte Meier. Doch die getroffenen Maßnahmen allein gehen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei nicht weit genug. Die ZIS sprach sich nach den Vorfällen von Berlin, wo am vergangenen Wochenende rund 100 Chaoten in den Innenraum des Olympiastadions stürmten und dort wüteten, auf SID-Anfrage für eine "dauerhafte Reduzierung oder die gänzliche Abschaffung von Stehplätzen" aus.

[sid]