Am 24. Februar 1984 wurde „Karneval instanbesetzt“ erstmals in der Kölner Studiobühne aufgeführt. Respektlos übernahmen damals rund 30 Studenten Elemente einer konventionellen Karnevalssitzung – angereichert mit politischen Spitzen und kölscher Musik von der immer noch aktiven Band „Köbes Underground“. Schnell entwickelte sich das Studentenprojekt zu einer echten Karnevalsalternative. Und noch heute sind einige der Mitgründer in der Stunksitzung aktiv – neben Sitzungspräsident Jürgen Becker etwa Martina Bajohr, Günter Ottemeier oder Didi Jünemann.

750 Sitzungen mit 750 Elferräten
Mehr als 750 Aufführungen  – übrigens mit genauso vielen Elferraten, denn jedes Sitzung hat ihren eigenen – sind seit dem denkwürdigen 24. Februar 1984 nun gelaufen. Seit einigen Jahren ist nun auch mit dem Festkomitee Kölner Karneval Frieden geschlossen worden. Das war nicht immer so, erinnert sich Dr. Michael Euler-Schmidt, kommissarischer Direktor des Kölnischen Stadtmuseums. Noch 1997 wollte er die berühmte Irokesen-Perücke von Jürgen Becker in einer Ausstellung mit dem Festkomitee Kölner Karneval zeigen – entgegen der Wünsche des damaligen Festkomitee-Präsidenten. Heute sind die harschen Grenzen verschwunden. So beteiligt sich etwa Rosenmontagszugleiter Christoph Kuckelkorn mit einem eigenen Artikel am Buch zur Ausstellung über die Stunksitzung.


Foto: Kostüme aus dem Fundus aus 25 Jahren alternativer Karneval


Karneval außerhalb der Session
Die Schau versucht sich kritisch dem Phänomen der Stunker zu nähern. Ausgewählt und kommentiert wurden die Ausstellungsstücke von der „arge kulturidee“. Die Stunker selbst beteiligten sich daran nicht. Aber sie unterstützen die Kölner Kulturschaffenden mit zahlreichen Anekdoten, Erinnerungen und natürlich Fundschätzen aus den heimischen Kellern. Unter dem Titel  „Karneval instandbesetzt? Politik, Protest, Provokation und Persiflage – 25 Jahre Stunksitzung“ haben sie nun eine bunte und abwechslungsreiche Schau zusammengestellt. Bis zum 11. April ist die Reise durch die Erfolgsstory der alternativen Karnevalssitzung im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen. „Ich rechne jedoch damit, dass wir die Ausstellung verlängern werden“, prognostizierte heute Euler-Schmidt. Denn schon jetzt gäbe es zahlreiche Nachfragen und ein großes Interesse an der Schau. Die habe man extra außerhalb der Session gelegt. „In der Session wollen doch eh alle nur feiern. Jetzt können sie sich in Ruhe mit dem Thema auseinandersetzen“, erklärte heute Georg Bungarten, Initiator der Ausstellung.

Vom Golfkrieg bis zum „Ganzkörper-Nacktkostüm“
Tatsächlich sollten Besucher genügend Zeit einplanen, denn es gibt viel zu hören, riechen und sehen: Im Erdgeschiss des Museum steht passend zum Gewölberaum die immer wieder gern aufgegriffene Persiflage der kirchlichen Heilslehre sowie interne Entwicklungen im Vordergrund. Präsentiert werden hier etwa eine Foto-Collage der über 750 verschiedenen Elferräte oder der ans Kreuz genagelte Tünnes, gegen die Staatsanwaltschaft klagte – jedoch verlor.

Im oberen Stockwerk können Besucher in einem eigens erbauten „Festzelt“ mit Bierbank Filmsequenzen aus 25 Jahren Stunksitzung schauen. Hier steht die Auseinandersetzung mit dem traditionellen Karneval, aber vor allem die Zeitgeschichte der letzten 25 Jahre im Fokus der Schau. Dabei prägen der Blick der Ausstellungsmacher auf die Stunksitzung und die Einordnung in das jeweilige Zeitgeschehen die Präsentation. So behandelt das Thema „Weltpolitik und Stadtgeschehen“ lokale, nationale und internationale Ereignisse der letzten 25 Jahre – vom Golfkrieg, über den Tod von Lady Diana bis zu den Skandalen um den Oppenheim-Esch-Fonds. Angereichert wird die Chronik durch Perücken, einen eigens aufgestellten Kiosk und ein „Ganzkörper-Nacktkostüm“ – „mit 25 Jahren Schweißgeruch aus der Produktion“, so Museumdirektor Euler-Schmidt.


Foto: Gemütlich schunkeln und lachen und die Highlights der Stunksitzung gucken – im "Festzelt" mitten im Kölnischen Stadtmuseum


Eine „kritische Hommage“
Zur „arge kulturidee“ gehören Georg Bungarten, Werner Blum, Nadja Fernandes, Manfred Linke und Petra Metzger. Sie haben „Karneval instandbesetzt?“ unabhängig vom Ensemble der „Stunker“ konzipiert und umgesetzt: „Wir verstehen die Ausstellung als kritische Hommage an die Stunksitzung, die als Phänomen nicht nur die Massen mobilisiert, sondern auch den Karneval ein Stück weit revolutioniert hat.“ Bereits im November 2009 erschien ihr Buch zur Ausstellung. Die Sparkasse KölnBonn, der Landschaftsverband Rheinland, das Kölnische Stadtmuseum, das Kulturamt der Stadt Köln und der Westdeutsche Rundfunk unterstützen die Ausstellung finanziell und organisatorisch.

Infobox
25 Jahre Stunksitzung: 27. Februar bis 11. April 2010
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstraße 1-3, 50667 Köln

Öffnungszeiten:
Dienstag 10–20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr
Montag geschlossen
Jeden ersten Donnerstag im Monat 10–22 Uhr

Wer seine Eintrittskarte von der Stunksitzung aus der Session 2009/ 2010 mitbringt, spart einen Euro bei der Eintrittskarte.

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung