Geschichte und Fiktion
Der große Ausstellungsraum in der Brücke ist in schlichtem, zeitlosem und fast kühlem Weiß gehalten. Nichts lenkt so ab von den Arbeiten der Künstler. Der weit geöffnete Raum ist dabei durch große, skulpturartige Formen durchsetzt. Sie bilden Wände und bieten so jedem Künstler einen eigenen Raum im Raum. Mitten darin: ein weißer Scherenschnitt von Marina Castillo Deball. Er wirbelt sich in mehreren Phasen am Boden und klettert kaum abgehoben von der weißen Wand die Mauer empor. Der schlichte Titel der Arbeit „Scherenschnitt aus Papier“ steht entgegen der Windungen und Wirrungen des Werkes, das die Mondgöttin – zersplittert in unendlich viele Teile symbolisiert.

Castillo Deball, 1972 in Mexico City geboren, studierte in ihrer Heimatstadt und in Maastricht. Sie verknüpft die Daten historischer Fundstücke mit ihrer eigenen Fiktion und schafft so eine neue Form der Wiedergabe von Geschichte. Deutlich wird dies auch an ihrem zweiten in der Brücke ausgestellten Werk. Dabei bearbeitete sie zwei historische Bücher mit Sandstrahl, sodass sie durchlöchert und nicht mehr lesbar sind. Beide Objekte lenken in ihrer ganz eigenen Art den Blick des Betrachters auf das scheinbar Nebensächliche oder Absurde der Konstruktion von Geschichte.


Foto: Ausstellungsraum in der Brücke

Geschichte als Konstrukt
In jedem Jahr verleiht der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. wenigen jungen Künstlern den ars viva-Preis. Damit verbunden sind jeweils drei Ausstellungen – zwei in Deutschland, eine international – sowie ein Preisgeld von 5.000 Euro und eine Katalogveröffentlichung. So versucht der Verein, jungen Künstlern auf ihrem Karriereweg Starthilfe zu geben. In diesem Jahr stand das Thema „Geschichte“ im Fokus. Auserwählt wurden dazu neben Mrina Castillo Deball das Künstlerpaar Jay Chang und Q Takeki Maeda sowie Dani Gal. Arbeiten aller Künstler sind nun bis zum 4. April im Kölnischen Kunstverein zu sehen. Dabei verteilen sich die Werke im gesamten Gebäude der Brücke – vom Kino über den Ausstellungsraum bis hin zum Treppenhaus.

In ihrer Beschäftigung mit Geschichte suchen die Künstler dabei nicht mehr nach großen Erklärungsmodellen, sondern beziehen sich mit ihren Arbeiten auf einzelne, historische Dokumente. In der künstlerischen Arbeit mit dem Dokument entsteht so ein assoziatives Spiel oder eine persönliche Begegnung mit dem Stück Geschichte.

Original und Fälschung
Jay Chang und Q Takeki Madea, 1976 in den USA und 1977 in Japan geboren, studierten in Yale, Berkeley, Tokio und Frankfurt am Main. In ihren Arbeiten spielen sie mit der rage nach Original und Fälschung, die seit der Möglichkeiten und Verbreitung durch das Internet neu gefragt werden muss. Dabei interessiert sie die unternehmerische Geschichtsklitterung zugunsten der eigenen Mythosbildung eines weltweit führenden Handtaschenherstellers ebenso wie die billige Konstruktionsweise von Stilmöbeln. Zu sehen sind in Köln etwa Fakes von antiken Stilmöbeln, die sie im Internet erworben haben.

Der Sound der Geschichte
Dani Gal, 1975 geboren in Israel, studierte in Tel Aviv, Jerusalem, Frankfurt am Main und New York. In seinem Werk setzt er sich mit der medialen Geschichtskonstruktion der Nachkriegszeit auseinander. Dabei nähert er sich der Geschichte vor allem über den Sound. So fragt er etwa, wie der Ton die Wahrnehmung von Fakten verändert. Dazu lässt er die Tonspur eines 1970 entstanden Fernsehfilm „Grenade in Gaza“ über seinen eigenen Film „Seasonal Unrest“ laufen. Der zeigt einen professionellen Geräuschemacher, wie er eine neue Tonspur für den israelischen Film erstellt. Gezeigt wird die Arbeit im Kinn an der Brücke.

Das Programm zur Ausstellung
Künstlergespräch mit Mariana Castillo Deball
Mariana Castillo Deball stellt ihre künstlerische Arbeit im Gespräch mit den Kunstvereinsdirektorinnen vor.
20. Februar, 16 Uhr

Theater: NippleJesus von Nick Hornby
NippleJesus ist der Monolog eines Museumswärters, der unversehens Teil eines Kunstskandals wird: Auslöser ist ein Jesus-Bild, das sich bei näherem Betrachten als eine Collage aus lauter kleinen Brustwarzen entpuppt. Schnell steht das Werk im Mittelpunkt der medialen Empörung. David, für den Kunst bisher in erster Linie eine Verschwendung von Steuergeldern war, muss das Bild bewachen. Als Ex-Türsteher eines Nachtclubs nimmt er diese Aufgabe überaus ernst und kommt dabei zu ganz überraschenden Einsichten über den Wert der Kunst.
David: Kai Hufnagel, Regie: Friedhelm Roth-Lange
Eintrittskarten erhalten Sie über das Theater im Bauturm (0221-524242, täglich 17 – 20 Uhr). Termine:
13. März, 20 Uhr
14. März, 16 Uhr
25./26./27. März,  20 Uhr
28. März, 16 Uhr

Führungen durch die Ausstellung
26. Februar, 17 Uhr
5. März, 17 Uhr
12. März, 17 Uhr
19. März, 17 Uhr
26. März, 17 Uhr

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung