Report-k.de: Jürgen Roters ist am Freitag 100 Tage im Amt. Sind nach Ihrer Auffassung erste Konturen einer neuen Stadtpolitik erkennbar?

Der Vorstand des Wirtschaftsclubs Köln: Klare Konturen sind nicht erkennbar, der Oberbürgermeister beabsichtigt zwar Einsparungen im Haushalt der Stadt, aber eine klare Linie sieht der Wirtschaftsclub Köln nicht. Die Wirtschaft steht unserer Ansicht nach nicht ausreichend im Focus. Dies gilt auch für andere Bereiche wie Verkehr, Kultur etc. Hier sind einzelne, gute Ansätze und Engagements zu sehen, aber die große Richtung, die Vision, fehlt.

Hat nach Ihrer Einschätzung Kölns neuer Oberbürgermeister bereits erste Impulse gesetzt? Weisen diese Impulse in die richtige Richtung?

Die Impulse, die bisher gesetzt wurden, gehen nach Ansicht des Wirtschaftsclubs in die falsche Richtung. Die Bettensteuer läuft den Zielen, aus denen eine Mehrwert-Senkung beschlossen wurde, entgegen. Der Stadt gehen 320.000 Euro an Steuergeldern verloren. Mit der Steuer will sie sich 20 Millionen von der Hotellerie zurückholen. Die Negativschlagzeilen sind nachvollziehbar: Durch diese Entscheidung verlieren wir im Wettbewerb mit unseren Nachbarstädten.

Nach Ansicht des Wirtschaftsclubs brauchen wir eine innovative Ansiedlungspolitik ausländischer Firmen aus der Türkei, China, Indien und Russland. Kölns Zukunft liegt 2020 an diesen Ansiedlungen. Köln muss als viertgrößte Stadt Deutschlands Meinungsführerschaft übernehmen, weltstädtisch denken und handeln!

Der Oberbürgermeister hat den Bereich Kultur als seine oberste Aufgabe bezeichnet und auch hinsichtlich des Aufbaus des Stadtarchivs klare Impulse gesetzt. In anderen Bereichen, vor allem im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort, kann man dies nicht erkennen.

Hat Jürgen Roters die schwierige Haushaltslage 2010 in Köln im Griff?

Es wird allem Anschein nach noch zu wenig Geld eingespart. Es müsste nach Ansicht des Wirtschaftsclubs über städtische Verkäufe von Beteiligungen, Grundstücken und Rechten nachgedacht werden. Daneben bedarf es eines radikalen Einschnitts à la Koch/Steinbrück: Alle Etats müssten um 10 Prozent gekürzt werden. Keine separate Klientelpolitik! Es sollte alle Bereiche gleich treffen. Die Einsetzung eines Task Force zur Überprüfung aller Ausgaben scheint ein guter Anfang zu sein. Der Oberbürgermeister versucht zumindest, hier neue Wege zu gehen.

Wie bewerten Sie die Präsenz des neuen Oberbürgermeisters in der Öffentlichkeit?

Herr Roters ist immer noch der typische Verwaltungsleiter und noch nicht in der Rolle als oberster Repräsentant der Stadt angekommen. Eine Millionenstadt wie Köln erfordert aber in diesem Bereich wesentlich mehr. Hier ist noch viel Handlungsbedarf gegeben. Der Wirtschaftsclub wünscht sich mehr Nähe zur Industrie und den Leistungsträgern der Stadt. Der Oberbürgermeister nimmt stattdessen an allen möglichen Karnevalssitzungen teil. Im ersten Jahr hätte jeder Verständnis dafür, dass der Oberbürgermeister sich weniger auf karnevalistische Veranstaltungen wie Prinzenproklamation, Rosenmontagzug und Prinzenessen konzentriert, um sich ausschließlich der Stadt und ihrer Verwaltung zu widmen. Köln ist Weltstadt und muss auch so repräsentiert werden!

Eine der ersten Entscheidungen unter Jürgen Roters war der Umbau der Oper und Neubau des Schauspielhauses. Hat Kölns Oberbürgermeister den politischen Prozess gut gelenkt? Und war diese Entscheidung die richtige für Köln?

Der OB hat sich in diesem Bereich klar positioniert und eine für Köln wichtige Entscheidung getroffen. Allerdings: Ein Umbau ist ein Umbau. Hamburg und Sydney machen vor, wie man 300 Millionen Euro werbewirksam für eine Stadt einsetzen kann. Wir müssten mehr Mut zeigen, die Nord-Süd-Fahrt an dieser Stelle ganz untertunneln und den Platz an internationale Investoren zur gesamten Neubebauung für eine Kulturmeile und innerstädtische Masterbeplanung freigeben!

Fazit: Durch den Umbau wird eine einmalige Chance vertan. Köln ist und bleibt eine Millionenstadt mit Dorfcharakter. Selbst wenn die Oper und das Schauspielhaus für 300 Millionen Euro Steuergeldern renoviert werden, wird international niemand davon Kenntnis nehmen.

Weitere Stimmen zu 100 Tagen Jürgen Roters:
IHK: Dr. Herbert Ferger, Hauptgeschäftsführer >>>

Dr. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführers der HWK zu Köln >>>

Jörg Mährle, Deutscher Gewerkschaftsbund Köln >>>


Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der Kölner SPD >>>

Winrich Granitzka, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion >>>

Jörg Detjen, Vorsitzender der Fraktion Die Linke >>>

Ralph Sterck, Vorsitzender der FDP-Fraktion Köln >>>


10 Kölner Bürger melden sich zu Wort >>>


Herr Kurtenbach, wir danken Ihnen für dieses Gespräch

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung