"Immerfort sucht Dich mein Herz"
„Wo bist du, und wie wird es Dir sein? Immerfort sucht Dich mein Herz“, schreibt die damals 28-jährige Anna Hausen am 5. Oktober 1943 aus Köln an ihren Mann Willi. Der befindet sich derzeit im Gebiet des Dnjepr südlich von Kiew. Ziemlich genau fünf Jahre kennen sich die beiden zu diesem Zeitpunkt. Doch nur wenig Zeit ist ihnen vergönnt, um sich zu sehen und nahe zu sein. Ihre Liebe wächst und erhält sich vor allem in der Sprache. Mehrmals wöchentlich, manchmal bis zu zwei Mal am Tag schreiben Anna und Willi Hausen sich Briefe. In den Jahren 1939 bis 1944 schicken sie sich über 2.000 Nachrichten. Damit die kostbaren Worte der geliebten Frau nicht an der Front verloren gehen, schickt Willi die erhaltenen Briefe wieder zurück. Anna Hausen sammelt sie alle und verwahrt sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1987 sorgsam auf.

Adelheid Hausen, Tochter von Anna und Willi Hausen, beginnt nach dem Tod der Mutter die Briefe zu lesen. Erstmals begegnet sie in diesen ihrem Vater, den sie nie kennen lernte. Denn vier Monate vor ihrer Geburt starb Willi Hausen an einer Kriegsverwundung in Sandomierz in Polen. „Nach den Briefen habe ich zum ersten Mal um beide Eltern getrauert“, sagt Adelheid Hausen heute. Schnell erkennt sie, welchen Schatz sie in Händen hält. Sie beschließt, den sehr persönlichen Nachlass ihrer Eltern dem Historischen Archiv des Erzbistums Köln zu überlassen. Denn die Briefe schildern wie kaum ein Dokument aus dieser Zeit so eindringlich und umfassend von den Ängsten, Entbehrungen, aber auch kleinen Freuden in Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

“Ein Kind ist und bleibt ein Geschenk Gottes“
Schonungslos und überraschend offen schreiben Anna und Willi Hausen in den Briefen über ihre Liebe und die Kriegsjahre an der Front und in Köln. Immer wieder kommt dabei ihr Glaube zu Wort. Denn beide sind sie christlich aufgewachsen und von dem Glauben an Gottes Willen überzeugt. Doch zeigen die Briefe auch den inneren Konflikt beider angesichts der Grausamkeiten des Krieges. So schreibt Willi am 29. April 1942: „Es ist wirklich ein Ringen um den rechten Standort in unserem Denken und Sein.“ Dennoch halten Anna und Willi Hausen an ihrem Glauben fest, vielleicht gerade weil er ihnen die letzte Stütze in diesen schlimmen Zeiten ist. Denn der Glaube ermöglicht Anna und Willi Hausen dort Nähe, wo sie räumlich getrennt sind, etwa indem sie sich zeitgleich Gott zuwenden – Anna in Köln und Willi in Polen. In seinem letzten Brief, gerichtet an seine Mutter, gedenkt Willi Hausen seiner ungeborenen Tochter: „Ein Kind ist und bleibt ein Geschenk Gottes und sollten wir da etwas anderes tun, als uns über dieses Geschenk freuen … ohne Rücksicht darauf, ob ich nach Hause zurückkomme oder nicht.“

Am 1. September 2009, 70 Jahre nach Beginn des Weltkrieges, verschafft nun eine Lesung der interessierten Öffentlichkeit, Einblick in das Leben von Anna und Willi Hausen. Zusammengestellt und kommentiert von Adelheid Hausen tragen Karin Titz und Markus Eckstein in verteilten Rollen die Briefe im Kölner Domforum vor. Dabei beschäftigen sich die Auszüge insbesondere mit der Frage nach Glaube und Hoffnung vor dem Hintergrund der bedrückenden Zeit des Zweiten Weltkrieges. Ob es irgendwann einmal ein Buch mit den Briefen geben wird, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal sind die Briefe 30 Jahre nach Erhalt – zum Schutz von noch lebenden und unmittelbar verwandten Personen aus den Briefen – öffentlich nicht zugägnlich.

Infobox
Lesung: 1. September 2009, 17 bis 19 Uhr
Domforum
Domkloster 3
50667 Köln

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung