Gütersloh | [aktualisiert 16.45 Uhr] Europas größter Medienkonzern Bertelsmann plant nach einer langen Phase der Stagnation eine Wachstumsoffensive. Der Medienriese will internationaler und digitaler werden. Dabei sollen auch größere Akquisitionen und Partnerschaften helfen, wie Konzernchef Thomas Rabe anlässlich einer Strategiekonferenz mit 500 Führungskräften am Donnerstag in Gütersloh ankündigte.

„Wir haben ein Wachstumsproblem. Wir wachsen nicht ausreichend“, beschrieb der Manager die Situation des Konzerns. Um dies zu ändern, müssten die bestehenden Geschäfte umgebaut und gleichzeitig neue Geschäfte aufgebaut werden.

„Unser Ziel ist, dass Bertelsmann stärker wachsen wird, sehr viel internationaler sein wird und vor allen Dingen digital führend“, sagte Rabe zu den Plänen von Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümer für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Das Geschäftsumfeld verändere sich schneller als je zuvor, getrieben durch Megatrends wie die Digitalisierung oder den global wachsenden Bedarf an Bildung. Dem müsse sich der Konzern stellen.

Der Weckruf scheint überfällig. Denn die vergangene Dekade war für Bertelsmann in mancherlei Hinsicht ein verlorenes Jahrzehnt – geprägt von Umsatz- und Gewinnrückgängen. Die Entscheidung der Gründerfamilie Mohn, den belgischen Miteigentümer GBL aus dem Unternehmen herauszukaufen, bürdete dem Konzern einen hohen Schuldenberg auf und beschränkte seine strategischen Möglichkeiten.

Boomregionen Indien und China im Visier

Im Digitalgeschäft etwa hinkt der Medienkonzern inzwischen weit hinter Konkurrenten wie dem Axel-Springer-Verlag her. Hier will Rabe zur Aufholjagd ansetzen: etwa durch den Ausbau des E-Book-Geschäfts, durch Video-on-Demand-Angebote und mehr digitale Werbevermarktung.

Außerdem will Bertelsmann künftig sein Engagement in den Boomregionen China, Brasilien und Indien, aber auch in den USA deutlich ausbauen. Auch im Musikrechtegeschäft, im Bildungsbereich, sowie bei Dienstleistungen für E-Commerce-Anbieter und die IT-Industrie sieht der Konzern Wachstumschancen.

Finanzieren will Bertelsmann die Wachstumsoffensive teils aus dem laufenden Geschäft, teils aber auch durch die Aufnahme von Fremd- und Eigenkapital. Letzteres wurde für den Konzern seit der Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien leichter. Denn die neue Rechtsform erlaubt Bertelsmann die Aufnahme von Investoren, ohne die Macht der Gründerfamilie und der Bertelsmann-Stiftung zu beschneiden. Theoretisch wäre sogar ein Börsengang möglich. Doch hat die Gründerfamilie Medienberichten zufolge beschlossen, auf diese Option zu verzichten. „Wir drehen an vielen Stellschrauben und legen damit heute die Grundlage für den Umsatz und die Gewinne, die Bertelsmann in zehn Jahren erzielen wird“, sagte Rabe.

Autor: Erich Reimann/dapd