Vor dem Hintergrund der weltweiten Proteste gegen die Unterzeichnung des frauenverachtenden, schiitischen Familiengesetzes in Afghanistan fordert medica mondiale die Bundesregierung auf, Frauenrechte zu einem zentralen Bestandteil ihrer Afghanistan-Strategie zu machen. In einem öffentlichen Brief an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier drängt medica mondiale auf ein entschiedenes Eingreifen seitens der deutschen Politik, um das Gesetz in seiner jetzigen Form zu verhindern. In den letzten fünf Jahren sind auf deutscher sowie internationaler Entscheidungsebene der Schutz und die Förderung von Frauen und Mädchen während des Wiederaufbaus in Afghanistan gänzlich ins Hintertreffen geraten. Wenn ein Wiederaufbau auch im Innern der Gesellschaft stattfinden soll, ist es unumgänglich, die Rechte afghanischer Frauen endlich dauerhaft zu stärken", so Monika Hauser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied von medica mondiale. Der Kölner Frauenärztin Monika Hauser wurde im vergangenen Jahr der Alternative Nobelpreis verliehen.

Hinschauen und Handeln
medica mondiale fordert in einem heutigen Schreiben Merkel und Steinmeier nachdrücklich auf, die weitere Entwicklung bezüglich des Familiengesetzes kritisch im Auge zu behalten und nicht zuzulassen, dass die afghanische Regierung "den Skandal einfach aussitzt", so Selmin Çalişkan, Bereichsleiterin Politik und Menschenrechte von medica mondiale. Die Regierungsvertreter sollten am Vortag eines Treffens zwischen Präsident Hamid Karsai und VertreterInnen eines Netzwerkes afghanischer zivilgesellschaftlicher Organisationen (the Afghan Civil Society Network) Einfluss auf die afghanische Regierung nehmen. Während des Treffens am 18. April geht es um die angekündigte Überprüfung des Gesetzes – die Bundesregierung müsse die möglichen negativen Auswirkungen auf die internationale Zusammenarbeit im Falle einer Umsetzung des Gesetzes verdeutlichen. Überfällig sei auch, dass die Bundesregierung ein auf 10 bis 15 Jahre angelegtes, ressortübergreifendes Aufbaukonzept vorlege, das Frauen und Mädchen in Kernbereichen wie Bildung, Gesundheit sowie Friedens- und Aufbauprozessen beteiligt und sich in seiner konkreten Umsetzung auf die UN-Resolutionen 1325 und 1820 bezieht.

Einzelne Paragraphen des Gesetzes hatten Anfang April weltweites Entsetzen ausgelöst, da sie die in der afghanischen Verfassung verbrieften Rechte von Frauen verletzen. Unter anderem sieht das neue Familiengesetz vor, dass Frauen ihren Ehemännern jederzeit sexuell zur Verfügung stehen müssen und somit Vergewaltigung in der Ehe erlaubt wäre. Weiterhin verbietet es Frauen, ohne die Erlaubnis ihrer Ehemänner arbeiten zu gehen, mit Ausnahme medizinischer und anderer Notfälle das Haus zu verlassen und gesteht das Sorgerecht für Kinder im Fall einer Scheidung ausschließlich Vätern und Großvätern zu. Afghanische Frauenorganisationen hatten schon in den letzten beiden Jahren durch hartnäckige Verhandlungen mit dem Justizminister, dem Höchsten Gerichtshof und Imamen erreicht, dass einige frauenfeindliche Paragraphen des Gesetzes herausgenommen wurden.

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[cs; Foto: Caleno/ www.pixelio.de]