Köln | Der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (KLuST) stimmte gestern Abend gegen eine Teilnahme der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung „Pro Köln“ mit einem Wagen an der CSD Parade 2013. Gleichzeitig will man den Schulterschluss mit allen demokratischen Kräften in Köln suchen, die sich gegen eine Teilnahme von Rechtspopulisten und Extremisten stellen und ruft zu einem organisierten Gegenprotest auf. Markus Wiener von „Pro Köln“ hatte im Falle der Ablehnung die Anrufung der Gerichte angekündigt. Nach dem Versammlungsgesetz, so Gutachter Michael Kniesel, kann man „Pro Köln“ die Teilnahme nicht verwehren, aber die Art und Weise der Teilnahme von „Pro Köln“, etwa am Ende der Veranstaltung gestalten.  Report-k.de veröffentlicht die Erklärung des KLUST im Wortlaut.

Mit einem deutlichen Votum sprachen sich die Mitglieder des Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (KLuST) am 4. Juni auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gegen die Teilnahme von Pro Köln an der CSD-Parade aus. Mit nur zwei Enthaltungen und keiner Gegenstimme stimmten die Mitglieder für einen Antrag des Vorstandes für einen Ausschluss der als rechtsextremistisch geltenden Bürgerbewegung „Pro Köln“ von der CSD-Parade, für die Initiierung eines friedlichen Gegenprotests gegen jede Teilnahme von Extremisten und für eine fokussierte Fortsetzung der Diskussion über die Entstehung und den Umgang mit Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Das Gutachten und die rechtlichen Möglichkeiten „Pro Köln“ auszuschließen

Der KLUST hat Michael Kniesel gebeten eine gutachterliche Stellungnahme zu einem möglichen Ausschluss von „Pro Köln“ von der Veranstaltung zu erstellen. Der kommt zu dem Urteil, dass es, da es sich beim CSD um eine Veranstaltung im öffentlichen Raum und unter freiem Himmel handele, nur schwer möglich sein wird, „Pro Köln“ auszuschließen. Denn das Versammlungsgesetz regele dies eindeutig und man kann bestimmte Personen oder Kreise nur bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ausschließen. Kniesel: “ Eine Beschränkung des Teilnehmerkreises für Versammlungen unter freiem Himmel verbietet sich auch schon deshalb, weil der Veranstalter einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel gar nicht die Rechtsmacht haben kann, das Recht der Teilnehmer aus Art. 8 Abs. 1 GG auf Benutzung öffentlicher Straßen und Plätze einzuschränken (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Aufl.2011, §6 Rdn. 2).

Weiter führt Kniesel aus: „Der Veranstalter kann durch nicht personenbezogene, sondern objektive inhaltliche Vorgaben in seiner Einladung mittelbar einen Ausschluss für ihn nicht akzeptabler Teilnehmer bewirken, indem er seiner Veranstaltung ein bestimmtes Gepräge gibt. Halten sich Teilnehmer nicht an diese inhaltlichen Vorgaben, so kann der Veranstalter zum Schutz des Charakters seiner Veranstaltung vor Verfälschung durch Teilnehmer gegenüber der bei Versammlungen unter freiem Himmel allein zur Ausschließung befugten Polizei den Ausschluss dieser Teilnehmer einfordern (vgl.Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, K.Versammlungsrecht, Rdn. 215 u. 218). Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Ruft ein Veranstalter zu einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit auf und konkretisiert er dies in seiner Einladung in der Weise, dass ein Schweigemarsch stattfinden soll und als Demonstrationsmittel allein Lichter Verwendung finden sollen, so muss dieser Veranstalter keine Teilnehmer akzeptieren, die Sprechchöre skandieren und Transparente mitführen wollen (vgl. dazu Kniesel/Poscher, a.a.O., Rdn. 215 u. 218). Unterläßt der Veranstalter eine solche “Präzisierung” in seiner Einladung, so muss er jeden Teilnehmer akzeptieren, sogar solche, die eine kritische Distanz zum Demonstrationsgegenstand zum Ausdruck bringen wollen (vgl. BVerfGE 84, 203/209). Da bei der Einladung zum CSD 2013 eine solche inhaltliche Präzisierung nicht erfolgt ist (und für den Unterzeichner auch schwer vorstellbar ist, wie man mit abstrakten, nicht personenbezogenen inhaltlichen Vorgaben Personen wie Mitglieder bzw. Anhänger von “Pro Köln” mittelbar ausschließen könnte), versagt der unter 2. dargestellte mittelbare Ausschluss.

Der Veranstalter hat allerdings Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Positionierung, wo Teilnehmer mitgehen können, die seine Veranstaltung verfälschen würden. Dies leite sich, so Kniesel, daraus ab, dass die Teilnehmer an einer Versammlung kein Recht auf Mitgestaltung der Versammlung haben, sondern nur Anwesenheitsrecht. Daher sei es möglich, dass der KLUST die „Pro Köln“ Gruppe den Schluss des Zuges bilden lasse. Kniesel: „Ob die Anhänger bzw. Mitglieder von “Pro Köln” überhaupt einen Wagen mitführen können, ob zwischen ihnen und den vor ihnen gehenden bzw. fahrenden Teilnehmern ein Sicherheitsabstand eingehalten werden muss und ob sie möglicherweise aus Sicherheitsgründen gar nicht teilnehmen können, ist Gegenstand der polizeilichen Gefahrenprognose, die zu entsprechenden Auflagen nach § 15 Abs.1 VersG führen kann.

„Pro Köln“ müsste sich zurückziehen

Nach dem eindeutigen Votum des KLUST und der gutachterlichen Stellungnahme liegt es nun bei „Pro Köln“ sich zurückzuziehen. Tut „Pro Köln“ dies nicht und davon ist, nach der Ankündigung von Markus Wiener, der den Gang bis vor das Bundesverfassungsgericht angekündigt hat, nicht auszugehen, eine Teilnahme von „Pro Köln“ wahrscheinlich. Außer die Ordnungsbehörden tragen solche Sicherheitsbedenken vor, die eine Teilnahme von „Pro Köln“ aussschließen.

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Die Erklärung des KLUST im Wortlaut (kursiv gesetzt)

In der CSD-Parade ist kein Platz für Rechtspopulisten!

Mit der klaren Zustimmung durch die Mitglieder erklärt der Kölner Lesben- und Schwulentag:
Der ColognePride ist ein Festival der Emanzipation, eine Ausdrucksform und Gestaltung unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt und eine Demonstration für Gleichberechtigung und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Die im KLuST versammelten Vereine, Gruppen und Einzelmitglieder verbinden mit dem CSD Köln gemeinsame Werte, die auch während der Parade zum Ausdruck kommen. Wir treten ein für einen weltoffenen, die Menschenwürde respektierenden CSD. Wir geben ein Beispiel für Respekt, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Toleranz. Wir stehen für ein gleichberechtigtes Miteinander der verschiedensten Lebensentwürfe, soweit sie auf gegenseitiger Akzeptanz und gegenseitigem Respekt vor- und füreinander beruhen.

Wir stehen ein für Vielfalt und sind gegen populistische, extremistische und antidemokratische, rassistische, nationalistische, antisemitische, antiislamistische, frauenverachtende und gewaltverherrlichende Anschauungen und Darstellungen.

Kein Platz für Pro Köln!
Die Entstehungsgeschichte, ihre vergangenen und aktuellen Aktivitäten und ihre Motive, zuletzt erklärt im Rahmen ihrer Pressekonferenz am 31. Mai 2013, machen deutlich: Pro Köln steht im absolutem Widerspruch zu den Zielen und den Grundwerten des Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. und der CSD-Parade – verdeutlicht durch die Vereinssatzung, der kommunalpolitischen Erklärung von 2004 und der CSD-Charta von 2009 – sowie der gesamten Stonewall-Bewegung.

Pro Köln verfolgt nicht unsere Forderung nach einer rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle. Pro Köln will mit aggressiver Propaganda Aufmerksamkeit und Gegenproteste hervorrufen und sich anschließend als Opfer von Meinungsdiktatur und Politischer Correctness inszenieren. Pro Köln möchte unsere Parade instrumentalisieren, unsere Community Spalten und Minderheiten gegeneinander aufhetzen.

Wir brauchen keine rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Gruppierungen im Kampf gegen Homo- und Transphobie und wollen mit ihnen keinen Dialog auf Augenhöhe führen. Denn wer Rechtsextreme als Gäste toleriert, macht sie zum normalen Bestandteil der politischen Meinungsvielfalt. Dort aber gehören sie nicht hin. Wer mit den Rechtsextremen diskutiert, schließt die Opfer der Nazis und Neonazis und ihrer Ideologie aus. Diese aber brauchen unsere uneingeschränkte Solidarität und unsere Unterstützung. Menschenverachtung ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! In der CSD-Parade ist deshalb kein Platz für Pro Köln!

Signalpolitik ist zwingend erforderlich
Auch wenn die Gesetze und die Rechtsprechung in Bezug auf einen Ausschluss von Pro Köln vermutlich nicht eindeutig auf unserer Seite sind, halten wir diesen Schritt, aufbauend auf das oben genannte Wertefundament, für folgerichtig und unerlässlich. Wir zeigen unseren lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, intersexuellen und heterosexuellen Freundinnen und Freunden mit Migrationshintergrund unseren uneingeschränkten Schulterschluss. Wir zeigen, dass in unseren Reihen kein Platz ist für populistische, extremistische und antidemokratische, rassistische, nationalistische, antisemitische, antiislamistische, frauenverachtende und gewaltverherrlichende Anschauungen und Darstellungen. Und wir zeigen, dass der ColognePride und der CSD Köln auch für rechtspopulistische Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle keine Toleranz übrig hat. Keine Toleranz für Intoleranz!

Wir sagen aber auch: Unsere Energie darf sich nicht auf diese, an dieser Stelle absolut notwendige Signalpolitik konzentrieren und begrenzen. Denn wenn Feinde der Demokratie es verstehen, dieses Recht für sich zu beanspruchen, ist es in erster Linie Sache der Zivilgesellschaft, sich auf die eigenen Möglichkeiten zu besinnen, Paroli zu bieten und Rechtspopulisten nicht die Straßen und Plätze zu überlassen.

Organisierter Gegenprotest
Der KLuST ruft daher zu einem organisierten Protest gegen die Teilnahme von Rechtspopulisten und Extremisten auf. Wir streben ein Bündnis mit den stimmberechtigten Mitgliedern der Stadtarbeitsgemeinschaft Lesben, Schwule und Transgender, mit den Szene-Kneipiers, Szene-Medien und Partyveranstalter/innen, der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben, dem Schwulen Netzwerk NRW, der Aidshilfe NRW, dem LSVD NRW, dem Bündnis „queergestellt“, dem Aktionsbündnis „Köln stellt sich quer“, der Aktionsgemeinschaft Arsch Huh und den im Rat der Stadt Köln vertretenden Parteien Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE, FDP und SPD an. Gemeinsam wollen wir mit demokratischen und friedlichen Mitteln verdeutlichen: weder beim ColognePride/CSD Köln, noch in Köln oder anderswo ist Platz für populistische, extremistische und antidemokratische, rassistische, nationalistische, antisemitische, antiislamistische, frauenverachtende und gewaltverherrlichende Anschauungen und Darstellungen.

Alle Kooperationspartner/innen und Parade-Teilnehmer/innen sollen eine noch zu erarbeitende Erklärung „ColognePride gegen Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Arbeitstitel) unterzeichnen.

Inhaltliche Diskussion muss weiter geführt werden
Ein organisierter Gegenprotest ist richtig und wichtig. Diese moralische Verurteilung darf aber nicht die alleinige Antwort sein. Wenn populistische und extremistische Gruppen Problemlagen und gesellschaftspolitische Defizite mit rassistischen und nationalistischen Handlungsoptionen verknüpfen, müssen wir ihnen das politische Terrain streitig machen. Wir müssen die Bereitschaft haben, uns neuen Fragestellungen und politischen Herausforderungen gegenüber zu öffnen, um Umgangsformen und demokratische Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln und aufzeigen zu können.

Wir haben als Community Nachholbedarf in der Diskussion über den Umgang mit Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Und ja, wir müssen über Homo- und Transphobie in allen gesellschaftlichen Gruppen, über deren Ursache und Bekämpfung sprechen. Die richtige Antwort auf Ängste und Vorurteile, auf Homo- und Transphobie ist aber nicht Fremdenfeindlichkeit, sondern Integration, soziale Teilhabe und Bildung.

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Autor: ag
Foto: Auf dem CSD 2012 (Archivbild)