Report-K.de publiziert die sehr umfangreiche Stellungnahme im Wortlaut (kursiv gesetzt):
„Nach dem erschütternden Unglück an der U-Bahn-Baustelle Waidmarkt offenbart sich den Kölnerinnen und Kölner jetzt bei der Suche nach Ursachen, Schuld und Verantwortung ein Desaster an unglaublicher Gedankenlosigkeit, Ignoranz und schlampiger Organisation.

Der bundesweit als skandalös empfundene Umgang mit der Aufarbeitung der Katastrophe vom Waidmarkt beschädigt Köln genauso schwer wie die tiefe Wunde, die das Unglück der Stadt geschlagen hat! Der amtierende Oberbürgermeister  verspielt gegenwärtig das  Vertrauen der Menschen in eine verlässliche Stadtführung. Das beschädigt für lange Zeit die gesamte Kommunalpolitik, das Handeln der Stadtverwaltung und die Existenz sichernden Dienste der Stadtwerke! Diese Entwicklung muss schnellstmöglich gestoppt werden! Ein erster wichtiger Schritt ist das Bekenntnis des Oberbürgermeisters zu seiner Verantwortung für die Behörde, die immer noch firmiert als ‚Stadt Köln, Der Oberbürgermeister’!“

„Ich habe mich während der vergangenen Wochen ganz bewusst in der Öffentlichkeit zurückgehalten. In Krisensituationen haben diejenigen das Sagen, die die Ämter und die Krisenbewältigung als Aufgabe haben. Wahlkampf-Zwischenrufe verbieten sich da! Und mit Feuerwehrchef und Stadtdirektor hat Köln Gott sei Dank ja auch zwei sehr gute, operative Krisenmanager. Diese beiden hatten das aktuelle Geschehen sehr gut im Griff und vermittelten jederzeit, dass man auf die Kompetenz und den Einsatzwillen aller Beteiligten vertrauen konnte! Dieses Zeugnis habe ich von vielen Menschen bei meinen täglichen Gesprächen im Umfeld der Unglücksstätte gehört.“

Dieses Vertrauen in die unmittelbaren Rettungs- und Aufräumarbeiten wird aber mittlerweile massiv überlagert vom Entsetzen über die Erkenntnisse, die bei der Aufarbeitung des Unglücks zu Tage treten. Jürgen Roters: „Viele wussten und wissen von der schwachen Verwaltungskompetenz des OB. Das schreckliche Geschehen am Waidmarkt macht das unzulängliche Verwaltungsmanagement sowohl beim Bau des U-Bahnprojektes und auch bei der Krisenbewältigung deutlich. Die Menschen sind wütend über die Pannen und Versäumnisse, die jetzt stückchenweise an die Öffentlichkeit dringen. All dies untergräbt das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Stadt. Schramma weist alle Verantwortung von sich, aber politische Verantwortung kann man nicht wie einen Mantel an der Garderobe abgeben!“

Für Roters bleibt der U-Bahn-Bau ein städtisches Projekt, auch wenn die Stadt die Bauherreneigenschaft auf die städtische Tochter KVB übertragen hat. Trotz dieser Delegation bleibt die Stadt Köln in der Verpflichtung. Dienststellen der Stadtverwaltung waren in das Projekt eingebunden, der Leiter des U-Bahn- und Brückenamtes war Schrammas Vertreter in der begleitenden Lenkungsgruppe. Roters: „Es gehört zu den zentralen Aufgaben eines Behördenleiters, gerade bei solchen städtischen Großprojekten eine verantwortliche Organisation für die Umsetzung zu etablieren und den zwingend erforderlichen Informationsaustausch zu gewährleisten. Beides ist derzeit nicht erkennbar. Klare Regelungen und Festlegungen für die Aufbau- und Ablauforganisation scheint es nicht gegeben zu haben, sonst hätte der Baudezernent bei der Information seinen Oberbürgermeister nicht ‚vergessen’ können! Die notwendige, regelmäßige Kommunikation hat also wohl nicht stattgefunden!“

Roters: „ Der OB begibt sich derzeit in die Rolle des Aufklärers, als habe er anscheinend mit dem ganzen Geschehen nichts zu tun. Er muss sich jedoch selbst den bohrenden Fragen stellen.“

Erschreckend sei, dass derzeit täglich mehr ungeklärte Fragen entstehen als zufriedenstellende Antworten gegeben werden. Roters: „Dieses Versteckspiel verunsichert die Menschen und macht wütend. Die Menschen haben jetzt ein Recht darauf zu erfahren, wann, wo und wie der Oberbürgermeister sich regelmäßig über den U-Bahn-Bau informiert hat? Hat er selbst als Stadtchef einmal nach Problemen gefragt? Kannte er oder jemand in seinem Büro die merkwürdige Liste bedeutsamer Gebäude an der U-Bahn-Trasse, auf der angeblich das Historische Archiv fehlt? Ist OB Schramma jemals von KVB-Vorstand Walter Reinarz unmittelbar und persönlich über Probleme informiert worden – beispielsweise beim gemeinsamen Essen im Hotel Mercure am 14. März 2009?“

Auch die schon lange schwelende Kritik an Schrammas Unfähigkeit als Behördenleiter bestätigt. Roters: „Weil der OB nicht führt, führen die Abteilungen und Ämter ihr Eigenleben. Weil gemeinsame Behördenziele nicht erkennbar sind, arbeitet jeder vor sich hin. Weil der OB in schwierigen Situationen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regen stehen lässt, machen sich Mutlosigkeit und Motivationsmangel breit. Das bittere Fazit: Trotz vieler guter Leute ist die Kölner Verwaltung in Unordnung geraten!“

In diesen schwerwiegenden Mängeln sieht man auch die Ursache dafür, dass in der Vergangenheit so viele wichtige Kölner Projekte in den Sand gesetzt worden sind. Roters: „Weil der amtierende OB so schwach ist, scheut er sich davor, kompetente und starke Mitarbeiter um sich zu scharen. Mittelmaß und Jasagertum sind seine Ratgeber. Das derzeitige Krisenmanagement zeigt, dass der OB auch nach neun Amtsjahren nichts dazugelernt hat. Er versteht sein Handwerk nicht, er kann es einfach nicht!“

Köln braucht dringend eine Neubelebung der Verwaltungskultur. Genau das wollen Roters Meinung nach auch die Beschäftigten der Verwaltung selbst: Kompetente Führung, klare Orientierung und Zielsetzung, Verlässlichkeit und Vertrauen. Mit der immer weiteren Ausgliederung und Verselbstständigung von Verwaltungseinheiten haben CDU und CDU-geführte Stadtspitze geradezu die Unverantwortlichkeit organisiert. Das, so fordert Jürgen Roters, „müssen wir rückgängig machen! Und dieser Neubeginn ist nur ohne den bisherigen Amtsinhaber möglich. Noch einmal sechs Jahre Durchwurschteln und Durcheinander würden die Stadt immer weiter in die Krise treiben!“

Roters: „Im öffentlichen Handeln müssen wir uns mit allem Nachdruck vom hergebrachten ‚Kölschen Grundgesetz: Et kütt wie et kütt; et hät noch immer jot jejange!’ verabschieden. Lethargie und Selbstgefälligkeit können wir uns nicht mehr leisten; ansonsten fallen wir im Wettbewerb der Städte immer weiter zurück! Unser neues Grundgesetz muss heißen:

Verantwortung übernehmen
– und zwar nicht nur für Erfolge, sondern auch in schwierigen Zeiten!

Den Menschen wieder Vertrauen geben
– wir müssen wieder die Sorgen und Erwartungen der Menschen aufnehmen und ihnen die Gewissheit geben, dass Stadtspitze, Politik und Verwaltung in der Lage sind, die Probleme kompetent zu lösen!

Politischer Weitblick und Zukunftsperspektiven
– die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, ob die Stadtspitze in der Lage ist, sie in eine gute Zukunft zu führen, und sie wollen wissen, wo ihre Stadt in 5 oder 10 Jahren steht!

Sich dem Wettbewerb stellen
– wir müssen von anderen Städten, die in manchen Punkten besser sind als wir, lernen. Wir müssen uns wieder öffnen, unsere Stärken unter Beweis stellen und unsere Schwächen beheben!

Mutig neue Wege gehen
– Köln war über viele Jahre Vorreiter auf wichtigen Feldern, von der Beschäftigungs- bis zur Kulturpolitik. Der Weg dorthin führt nur über eine ideenreiche, zupackende und verlässliche Führung!

Neues Engagement und neue Begeisterung wecken
– die Bürgerinnen und Bürger müssen stärker in die politischen Entscheidungen eingebunden werden! Bürgerengagement ist Bereicherung, keine Störung des politischen Alltags!

Gemeinsame und gegenseitige Rücksichtnahme fördern
– nicht Ausgrenzung der Schwachen darf das Ziel sein, sondern Schwache zu Starken zu machen; und dies nicht durch Reden und wohlfeine Worte, sondern durch verlässliches Handeln und konkrete Hilfe!

Die Katastrophe am Waidmarkt mit dem Einsturz des Stadtarchivs hat nicht nur Menschenleben gekostet, Menschen um Obdach, Hab und Gut gebracht und bedeutendes Kulturgut unwiederbringlich vernichtet. Das Ereignis hat auch tiefe Wunden für das Selbstwertgefühl der Kölner hinterlassen. Viele Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert über das Handeln und Auftreten ihres Stadtoberhaupts. Sie sind zornig über die miserable Krisenbewältigung. Sie sind entsetzt über die verheerende Außenwirkung, die ihre Stadt derzeit bietet. Es ist Zeit für einen Neubeginn, mit neuer Führung und neuen Perspektiven für die Stadt.

Roters: „Dieser Neubeginn muss jetzt bereits starten in dem alten Kölner Veedel, dessen Bürgerinnen und Bürger durch das Unglück massiv betroffen sind – das Severinsviertel bedarf ab sofort und in den kommenden Jahren unserer besonderen Aufmerksamkeit. Die Menschen dort dürfen nicht auch noch nach dem Unglück durch langlebige Ängste, Sorgen und Imageschäden bestraft werden! Das heißt konkret:

1. KVB und Stadt müssen mit jedem erforderlichen Aufwand und für die Menschen absolut nachvollziehbar die Sicherheit in der Fläche rund um den U-Bahn-Bau und das Vertrauen der Menschen in diese Sicherheit herstellen!

2. KVB und Stadt müssen Anwohnerinnen und Anwohnern, Firmen, Geschäften und Gewerbetreibenden vor Ort finanzielle und administrative Hilfen beim selbstbewussten Neustart in die Zukunft des Veedels geben!

3. Die U-Bahn muss mit sorgfältig, sicher und unter größtmöglicher Transparenz für die Anwohner fertig gestellt und in Betrieb genommen werden!

4. Die Schulen am Ort müssen – nach umfassender Sicherung bei größtmöglicher Transparenz – dort wieder ihren Betrieb in renovierten und bestens nutzbaren Gebäuden wieder aufnehmen!

5. Bei der Suche nach dem neuen Standort für das Historische Archiv muss auch das Severinsviertel in Betracht gezogen werden, beispielsweise mit der Fläche des ehemaligen Polizeipräsidiums!

6. Das Historische Archiv muss schnellstmöglich wieder in einer provisorischen Unterkunft den Betrieb als Institution aufnehmen können. Die Archiv-Arbeit mit Forschung, Digitalisierung und Auskunftsdienst für die Kölnerinnen und Kölner im Sinne eines Bürger-Archivs muss schnellstmöglich wieder aufgenommen werden können! Einen entsprechenden Antrag wird die SPD in der nächsten Ratssitzung stellen.

Köln muss auf vielen Ebenen Lehren aus diem Unglück ziehen. Die ‚Leichtigkeit des Seins’ ist zweifellos eine große Stärke unseres Köln. Sie darf aber nicht verwechselt werden mit „kölschtümelnder Wurschtigkeit“ , wenn es um verantwortliches Handeln in der Spitzenposition unserer Stadt geht. Köln braucht Verantwortung durch Wechsel!“

Kritik berechtigt
Soweit der Text im Wortlaut. Damit erreicht auch der Wahlkampf das Unglück auf der Severinstraße. Zur Zeit herrscht nach täglichen Pressekonferenzen, von Seiten der Stadt und der KVB Funkstille. Es wird und dies zeigt auch der Einwand Roters in diesem Fall nicht gelingen die Tatsachen zu verschweigen und zu glauben, dass man dieses Thema aussitzen kann. Insofern ist der Einwand des Oberbürgermeisterkandidaten berechtigt, ja sogar nötig.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung