Köln | Mit der Installation „Who’s Boss: Hair Shirt Army“ von Tanya Ury zeigt das Kölner NS-Dokumentationszentrum zum ersten Mal in seinem „Gewölbe“ eine Installation. Die in Großbritannien geborene  Kölner Künstlerin konfrontiert das Publikum anhand der renommierten Modemarke „Hugo Boss“ exemplarisch mit der Frage, wie man sich heute zum Erbe der NS-Zeit verhält.

Seit 1992 sammelt sie ihre natürlich ausgefallenen Haare in kleinen, mit einem handgeschriebenen Datumsetikett versehenen Plastiktütchen (90 mal 115 Millimeter) – Tag für Tag – für sie auch ein Ritual der Trauer. 2004 fertigte sie daraus das Objekt „Hair Shirt“ an, das als Vorbild für die „Hair Shirt Army“ dient, die sie dank einer Förderung des Kulturamtes der Stadt Köln exklusiv für die Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum anfertigte. Diese „Armee“ besteht aus insgesamt 19 dieser aus Plastiktütchen genähter Mäntel, allesamt gefüllt mit Haaren. Damit spielt die Künstlerin durchaus auch auf die Haare an, die die SS den für die Gaskammern bestimmten jüdischen Opfern abscheren ließ, um damit Matratzen zu füllen.

Ury reflektiert mit ihrer Installation sowohl die Geschichte des Modehauses „Boss“ während der NS-Zeit als auch die Leidensgeschichte des Holocaust. Hierzu besteht seitens der Künstlerin auch ein starker persönlicher Bezug: Ein Großteil ihrer nahen Vewandten war seit den 1930er Jahren gezwungen, vor der antisemitischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Köln, Berlin und Ulm zu fliehen. Ein Teil der Familie konnte sich nach Großbritannien retten, ein Teil der Familie überlebte im Versteck. Weitere Familienangehörige Urys wurden deportiert und ermordet. Das Sammeln und Archivieren der Haarbüschel ist für sie auch ein Akt der Trauer.

Indem sie Persönliches und Historisches miteinander verwebt, schafft sie eine Kollektion ganz eigener Art. Dabei handelt es sich bei der Installation laut Ury ausdrücklich nicht um einen Rachefeldzug gegen die Firma Boss, die während der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigte und durch die Parteimitgliedschaft des Eigentümers zahreiche Aufträge unter anderem für die Anfertigung von SS- und SA-Uniformen erhielt. „Es geht hier darum, wie Kleidung Menschen verändern kann“, so Ury. „Und es geht um die Frage: Wer übernimmt Buße, wer ist der Büßer?“

Tanya Ury, 1951 in London geboren, studierte Bildende Kunst an der Central School of Art and Design in der britischen Hauptstadt und am Exeter College. 1990 graduierte sie als Master of Fine Art an der Universität Reading. Seit 1993 lebt und arbeitet die Künstlerin in Köln, wo ein Teil ihrer Familie lebte, bevor sie ins Londoner Exil fliehen musste.

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„Who’s Boss: Hair Shirt Army.“
Installation von Tanya Ury
13. Februar bis 21. April 2014
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

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Autor: dd
Foto: Tanya Ury vor ihrer Installation.