Köln | Am 9. Januar 2014 brannte ein Toluol Tank in der Shell Rafinerie in Köln Godorf. Viele Anwohner, aber auch Medien beschwerten sich über die Informationspolitik der Stadt Köln, die mit ihrer eigenen Alarmierung und Bevölkerungswarnung nicht den vom NRW Innenministerium vorgesehenen und rechtlich per Erlass vorgeschriebenen Weg der Bevölkerungswarnung einhält. Man gibt zu, dass zuerst Radio Köln um 15:30 Uhr  sendete und der WDR erst eine halbe Stunde später. Report-k.de stellte am 12. Januar Fragen an die Stadt, die diese jetzt beantwortet hat.

Die Mitteilung der Kölner Feuerwehr, verfasst von Einsatzleiter Dr. Schmidt, einen Tag nach dem Großschadensereignis bei Shell lautete: „Aufgrund der starken Rauchentwicklung hatte die Einsatzleitung der Feuerwehr Köln die Bevölkerung in der Umgebung über Sirenen, aktuelle Radiomeldungen und Internet-Medien gewarnt und sie aufgefordert, sich in geschlossene Gebäude zu begeben.“

Herr Schmidt schreibt, dass die Kölner Bevölkerung über Radiomeldungen und Internet-Medien gewarnt wurde. Welche Medien wurden seitens der Stadt aktiv informiert und eingesetzt um die Bevölkerung zu warnen?

Stadt Köln: Zur Warnung löste die Feuerwehr Köln die Sirenen in der Umgebung der Shell-Raffinerie Godorf aus. Die anschließende Information der Bevölkerung erfolgte über Radio Köln* und über WDR 2, die in festgelegten Sendeintervallen vorbereitete Warntexte verlasen. Parallel hierzu wurde ein Warntext auf der Internetseite der Stadt Köln eingestellt.** Dieser wurde außerdem auf der Facebook-Seite der Feuerwehr Köln verlinkt und weiterverbreitet. Im weiteren Verlauf wurden vom Presseamt mittels Pressemitteilungen Informationen über den üblichen Verteiler weitergegeben. Darüber hinaus erhielt das Bürgertelefon der Stadt Köln laufend Informationen zur Warnung und zum Ereignis, die an die Anrufer weitergegeben wurden.

Da wohl einzelne Internet-Medien informiert wurden handeln Sie nicht im Rahmen des Erlasses des NRW-Innenministeriums, der eine Bevölkerungswarnung alleine über WDR 2 ausschließlich vorsieht. Stiften Sie damit nicht Verwirrung?

Mit „Internet-Medien“ waren in diesem Zusammenhang die Internetseite der Stadt Köln sowie die Facebook-Seite der Feuerwehr Köln gemeint. Diese stellen sinnvolle zusätzliche Informationskanäle zu den Hörfunkprogrammen dar, die in dem von Ihnen bereits erwähnten Erlass zur Bevölkerungsinformation vorgesehen sind.

Solange auch die Informationsinhalte gleichlautend sind, ist jedes weitere Medium geeignet, die Informationen auch weiter in der betroffenen Bevölkerung zu verbreiten.

Wie begründen Sie die Auswahl?

Siehe oben!

Welche Kommunikationsmittel nutzen sie dazu und warum?

Hierzu werden E-Mails verwendet.

Gibt es eine Warnstruktur, die die Stadt Köln in Gang setzt und wie genau sieht diese aus?

Die Stadt Köln verfügt über ein dreistufiges Warnkonzept: Sirenenalarm, Radiodurchsagen begleitet von Internet-Information und Warnung mit Lautsprecherfahrzeugen.

Die Struktur des dreistufigen Warnsystems ist klassisch und damit durch mehrere Jahrzehnte Zivilschutz geprüft – beginnend im zweiten Weltkrieg. Das Warnsystem der Stadt Köln ist guter Standard in Deutschland, kein Exot.

In welchem Turnus überprüft die Stadt Köln die Struktur, sowie Art und Weise, wie Sie die Bevölkerung warnt und wann ist dies zum letzten Mal geschehen? (Damit meinen wir nicht nur den Sirenenalarm, sondern die generelle Umsetzung der Bevölkerungswarnung)

Beim vierteljährlich stattfindenden Sirenenalarm wird sowohl die Sirenentechnik als auch die Zusammenarbeit mit den Medien überprüft. Dabei wird die Bevölkerungsinformation mit eingebunden.

Die Funktion des sogenannten On-Air-Verfahrens, also das sofortige Einsprechen in das laufende Radioprogramm von Radio-Köln wird mindestens einmal im Jahr in den Nachtstunden geprobt.

Der Umgang mit dem Einsatzplan Bevölkerungswarnung, in welchem der Einsatz mit Warnfahrzeugen in definierten Bereichen vorgeplant ist, ist Bestandteil der Ausbildung auf den Feuerwachen und den Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr.

Holen sie sich dazu externe Expertise an Bord und bindet die Stadt Köln in diesen Dialog die Kölner Medien ein? (Wenn ja welche?)

Die Stadt Köln ist gut vernetzt im Zivil- und Katastrophenschutz. Sie gibt ihre eigene Expertise in Deutschland vielfach weiter und berät auch Bundes- und Landesbehörden.

Die Stadt Köln pflegt einen dauerhaften und guten Dialog mit allen Medien – unabhängig von speziellen Aufgaben wie Bevölkerungswarnung. Zum Austausch waren die Kölner Medien mehrfach zusätzlich zu Gast bei der Stadt und ihrer Feuerwehr. Wissenschaftsmagazine haben sich ebenfalls mit dem Kölner Warnsystem beschäftigt: Deutschlandradio, Radio112, WDR.

Gibt es eine zeitliche Vorgabe/Ablauf, die das städtische Presseamt oder die Kölner Feuerwehr sich gesetzt hat, um eine maximale Breite an Information in der Kölner Bevölkerung zu erreichen?

Nein.

Weiter schreibt Schmidt: „Die Einsatzleitung der Feuerwehr führte den Messeinsatz aus dem Führungs- und Schulungszentrum der Feuerwehr heraus und stimmte die weitere Information der Bevölkerung mit dem Presseamt und den Fachämtern der Stadt Köln sowie des Landes ab.“ Bedeutet dies, dass es neben den erstinformierten Medien (Radio/Internet), weitere Kreise gibt, die erst im zweiten Schritt mit „weiteren Informationen“ versorgt werden?

Nein. Der Kölner Bürger darf zu recht bewertete Informationen erwarten, daher sind im Laufe des Einsatzes Meldungen der Feuerwehr zum Beispiel durch das Gesundheitsamt auf medizinische Relevanz für den Bürger bewertet worden.

Mit welchem zeitlichen Verzug geschah dies?

Die erste Warnung der Bevölkerung erfolgt um 15:19 Uhr mittels Sirenenalarm. Ab 15:30 Uhr erfolgt die weitere Information der Bevölkerung dadurch, dass Radio Köln den Warntext „Tankbrand bei Shell Godorf mit deutlicher Rauchentwicklung! Wind aus Süd-Süd-West. Bitte halten Sie Fenster und Türen geschlossen! Schalten Sie das Radio ein und warten Sie weitere Durchsagen ab“, sendet.

Der WDR sendet diesen Warntext eine halbe Stunde später. Dies liegt am formgebundenen Mehrinstanzen-Meldeverfahren, das der Warn- und Meldeerlass auf Grundlage des Rundfunkstaatsvertrags vorschreibt.

Ein Warnhinweis analog zur Radiowarnung wird um 15:41 Uhr auf die Internetseite www.stadt-koeln.de eingestellt.** Eine erste Schnellmeldung an den Presse-/Medienverteiler des Presseamtes erfolgt um 16:08 Uhr.

Wenn es diese Stufigkeit in der Informationsweitergabe gibt, womit ist dies zu begründen und gibt es hierfür ein Konzept, dass Sie wann gegenüber den Kölner Medien kommuniziert haben?

Die Stadt Köln und ihre Feuerwehr sind durch das Grundgesetz zu einer Güterabwägung verpflichtet – damit gehen die Rettung und der Schutz von Menschenleben der Medieninformation vor. Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Frühphase eines Einsatzes daher der Schwerpunkt der Kräfte dort gebündelt wird. Der Schutz von Menschenleben kann schnell durch das Warnsystem gewährleistet werden – hier reicht die unspezifische Aufforderung zur Schutzsuche in Häuser (Sirenenalarm). Mit dem weiteren Einsatzaufbau und der gleichzeitigen Sammlung von Information ist dann auch eine breitere Information von Bevölkerung und Medien möglich.

Zu Beginn eines größeren Einsatzes müssen durch die Leitstelle der Feuerwehr Köln zum einen verschiedene Einheiten und dienstfreie Kräfte alarmiert werden. Zum anderen sind weitere Ämter der Stadt Köln zu informieren und die Bevölkerung zu warnen. Dies erfolgt insbesondere zu Beginn einer solchen Lage mit dem Personalansatz, der auf das normale Tagesgeschäft ausgelegt ist. Hierbei ist zusätzlich zu bedenken, dass in einer Millionen-Stadt wie Köln auch während eines Großschadensereignisses die übliche Anzahl an Rettungsdienst- und Feuerwehreinsätzen abzuarbeiten sind. Der zeitliche Unterschied im Bedienen der einzelnen Informationskanäle ist also allein dadurch zu begründen, dass sich anfangs der Führungsstab in der Einsatzleitung noch im Aufbau befindet und weitere Mitarbeiter aus der Freizeit alarmiert werden, die sich noch zur Dienststelle begeben müssen.

Ein Kritikpunkt unseres Mediums, ist die schlechte telefonische Erreichbarkeit des Presseansprechpartners in so einem Fall, bzw. die nicht klar kommunizierte Struktur. Zum einen gibt es einen Pressesprecher der Feuerwehr, zum anderen ist manchmal das Presseamt der Stadt Köln zuständig. Wurde gegenüber Kölner Medien von Seiten der Stadt aktiv eine klare Struktur entwickelt und kommuniziert, wer, wann in welchem Fall zu kontaktieren ist?

Medienanfragen können sowohl an das Presseamt als auch an die Feuerwehr gerichtet werden. Für Bürgerinnen und Bürger wurde das Bürgertelefon eingerichtet. Dies wurde in der Pressemitteilung um 16:08 Uhr bekannt gegeben. Darüber hinaus ist die Frühphase eines Einsatzes geprägt von vielen zeitkritischen Maßnahmen – eine verzögerte Erreichbarkeit einzelner Funktionen kann sich daher grundsätzlich ergeben.

Wann wurde diese Struktur aktiv gegenüber den Kölner Medien kommuniziert?

Siehe oben!***

Gibt es ein schriftliches Konzept/Handlungsanweisung für Großschadensereignisse die Erreichbarkeit der Stadt und der Feuerwehr für mediale Anfragen schnell zu erhöhen, also mehr Ansprechpartner und Telefonleitungen zur Verfügung zu stellen (zumindest tagsüber, wenn das Presseamt auch besetzt ist)?

Ja.

In der Presseerklärung der Feuerwehr heißt es weiter „das Feuer konnte durch einen Großeinsatz der Werkfeuerwehren im Kölner Süden und der Feuerwehr Köln nach rund anderthalb Stunden gelöscht werden“. Bei Rückfragen am Freitag Morgen hieß es von Herrn Rogkamp, Feuerwehr Köln (Dialog bei der Frage wie es rund um den Tank aussehe: „Die Feuerwehr Köln war nicht am Tank und kann daher dazu nichts sagen“, Nachfrage: „Sie haben dort nicht gelöscht? Antwort: Nein) und auch bei der Shell, dass die Feuerwehr Köln gar nicht zum Löscheinsatz kam, sondern nur die Werkfeuerwehr Shell und der Verbund der Chemieunternehmen in der näheren Umgebung. Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Darstellungen?

Die Berufsfeuerwehr Köln bildete beim Einsatz „Shell“ eine leistungsfähige Führungsorganisation mit einem Stab Einsatzleitung an der Spitze und nahm unverzüglich und parallel die Aufgaben „Bevölkerungswarnung und -information“, „Schadstoff-Messungen“ und „Unterstützung der Werkfeuerwehr“ wahr.

Für die Unterstützung der Werkfeuerwehr wurden drei Löschzüge der Berufsfeuerwehr, mehrere Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr sowie Führungs- und Sonderfahrzeuge entsandt. Letztlich wurden sowohl der Löschzug der Feuerwache Marienburg als auch Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Werksgelände tätig, indem die Einsatzkräfte eine Löschwasserversorgung für die den Tankbrand löschenden Werkfeuerwehren aufbauten.

Auch wenn die Feuerwehr Köln lediglich indirekt an der Brandbekämpfung beteiligt war, haben die Einsatzkräfte zum schnellen Einsatzerfolg beigetragen.

Wann wurde die Feuerwehr der Stadt Köln von der Shell-Raffinerie informiert, was genau brennt?

Um 15:40 Uhr wurde die Feuerwehr Köln telefonisch von der Werkfeuerwehr unterrichtet, dass der brennende Tank Toluol enthält.

Ist es richtig, so entnehmen wir das den am Freitag veröffentlichten Messpunkten, dass die Feuerwehr um 16:20 Uhr mit den Messungen begonnen hat?

Der Messeinsatz der Feuerwehr beginnt bereits mit der Anfahrt des Beamten vom Alarmdienst -Umweltschutz- (BvA-U). Dieser wurde um 15:00 Uhr alarmiert. Schon auf der Anfahrt beobachtet der Umweltexperte die Rauchwolke und gibt hierzu eine erste Einschätzung der Lage ab. Mit dem Eintreffen an der Einsatzstelle benutzt er seine Sinnesorgane. Denn für eine schnelle Gefahrenbeurteilung sind die menschlichen Sinne Riechen, Schmecken und Sehen besser als jedes Messgerät. Zusätzlich verwendet der Beamte noch ein Messgerät (Photoionisationsdetektor -PID-), das unspezifisch anzeigt, ob von der Natur abweichende Gase in der Luft sind. Beim Shell-Einsatz wurde die Ausbreitung der Rauchwolke außerdem noch bei zwei Hubschrauber-Flügen aus der Luft beurteilt. Der erste dieser Flüge erfolgte um 15:11 Uhr.

Anhand dieser Erkenntnisse hat die Feuerwehr den weiteren Messeinsatz konzipiert. Dabei hat sie sowohl mit Geräten gemessen, die genaue Mengen eines Stoffes an einzelnen Orten angeben können, als auch mit einem Fernerkundungsgerät, das Stoffe in der Luft beobachten kann, die Umwelt quasi abgescannt.

Bei der oben angegebenen Uhrzeit handelt es sich um die erste dokumentierte, qualifizierte Messung.

Werden Sie nach den vielen Störfällen bei dem Unternehmen Shell ihre Kommunikationsstrategie in ihrem Wirkungskreis kritisch würdigen und dies auch mit der für das Unternehmen zuständigen Bezirksregierung abstimmen?

Wie jeder Großeinsatz wird auch der Einsatz bei der Rheinland Raffinerie am 9. Januar 2014 nachbereitet. Bei dieser Nachbereitung ist auch die Bezirksregierung Köln eingebunden.

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[infobox]* Die Stadt Köln hält eine 25 % Beteiligung an dem privaten Radiosender Radio Köln

** Eine parallele Onlinestellung wurde von der Redaktion von report-k.de nicht festgestellt. Die Redaktion von report-k.de erhielt durch ein zufälliges Telefongespräch mit der Kölner Polizei gegen 15:35 Uhr Kenntnis von dem Störfall. Ab diesem Zeitpunkt suchte die Redaktion mit mehreren Mitarbeitern fast schon verzweifelt nach ersten validen Informationen, wie es in dem Liveticker dokumentiert ist. Auf der Homepage der Stadt Köln war weder im Bereich Presse, noch Feuerwehr ein Warntext veröffentlicht. Dies geschah erst mit der Pressemitteilung nach 16:00 Uhr

*** Report-k.de Kölns Internetzeitung besteht seit 10 Jahren. In diesen 10 Jahren gab es weder vom städtischen Presseamt, noch von der Feuerwehr der Stadt Köln eine aktive Information zur Bevölkerungswarnung und wie man in diesem Fall mit den örtlichen Medien zusammenarbeitet. Auch eine schriftliche Informationsbroschüre liegt weder off-, noch online vor.

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Weitere Artikel zum Brand bei Shell:

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Die Warnung der Bevölkerung am Brandtag dauert über eine Stunde >

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Feuerwehr beendet Messeinsatz >

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Autor: Andi Goral | Foto: Stephan Schuh