Köln | KOMMENTAR | Es gibt wieder einen schweren Störfall bei Shell. Keine Panne, denn es handelt sich bei einem Brand in einer Chemieproduktion nicht um eine Panne, wie einen platten Fahrradreifen, sondern um einen schweren Störfall mit Auswirkungen auf die Umwelt und im schlimmsten Fall auch auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Nur anderthalb Jahre nach dem Brand eines Toluol-Tankes in Godorf, jetzt also ein Großbrand in der Olefinproduktion in Wesseling. Die Bilder gleichen sich, leider hat sich auch an der Informationspolitik der Shell nichts verändert. Da kommt einem der Spruch in den Sinn, was Hännschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr…

Die Shell Rheinland Raffinerie kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem zunächst aus einer defekten Rohrleitung über eine Million Liter Kerosin ins Erdreich gelangten und sich auf dem Grundwasser ein Kerosin-See gebildet hat, wurden 2012 noch an mehreren Rohrleitungen Lecks festgestellt. Im Jahr 2013 stürzt ein Arbeiter in die Tiefe und stirbt, zwei Arbeiter werden bei einer Verpuffung schwer verletzt. 2014 brennt es in Godorf, ein Toluol Tank ist explodiert und nur zwei Monate später im März 2014 treten große Mengen Schwefelwasserstoff aus. In der Öffentlichkeitsarbeit unternimmt das Unternehmen viel um seinen Ruf wieder herzustellen, eröffnet ein so genanntes Sicherheitscenter. Wie der aktuelle Fall zeigt, bleibt aber ein wesentlicher Kritikpunkt am Unternehmen Shell bestehen. Es ist die Informationspolitik bei Störfällen. Schon im Januar 2014 beim Brand des Toluol Tanks steht diese in der Kritik. Auch gestern dauert es über eine Stunde bis das Unternehmen eine erste Presseinformation versendet. Der Brand ereignete sich um 14:20 Uhr. Die erste Presseinformation, schriftlich per Mail datiert auf 15:30 Uhr. Diese Redaktion erreichte die Mail um 15:40 Uhr. Zwar hat man, wie schon beim Brand in Godorf Sirenenalarm auslösen lassen und auf das Radio verwiesen, aber warum informiert man dann nicht parallel alle Medien?

Irritierend: Unterschiedliche Aussagen zur Gefahrenlage

Es kann nicht so schwierig sein, einen fertigen Textbaustein mit einem Warnhinweis per Mail zu verschicken. Interessant ist auch, dass der Pressesprecher der Shell Rheinland Dr. Jan Zeese in einem Interview mit dem Lokalsender „köln.tv“ eine Gefährdung der Bevölkerung nicht ausschließt, aber es in der ersten schriftlichen Presseinformation von 15:30 Uhr heißt: „Durch die Rauchentwicklung kann es zu Geruchsbelästigungen kommen. Die Anwohner der Raffinerie wurden per Sirenenalarm aufgefordert das Radio einzuschalten und auf weitere Meldungen zu warten.“ In dieser Presseinformation lobt sich die Shell auch gleich noch: „Sämtliche Schritte des betrieblichen Alarm- und Gefahrenabwehrplans der Rheinland Raffinerie haben fehlerlos funktioniert. Die Werkfeuerwehr ist im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.“ Was genau brennt und welche Gefahren davon ausgehen könnten, steht nicht in diesem Pressebulletin. Dazu heißt es lapidar ein Ofen brenne. Erst in der zweiten Information um 18:00 Uhr gibt man bekannt welche Anlage betroffen ist: Es sei die Olefinanlage in der Propylen und Ethylen produziert werden. Zur Gefährdung der Bevölkerung heißt es weiter: „Die Berufsfeuerwehren führen weiterhin Luftmessungen im Umkreis der Raffinerie durch, um Gefährdungen auszuschließen“ und weiter „Wir bedauern die entstandenen Geruchsbelästigungen, die auch weiterhin nicht auszuschließen seien“.

Direkt neben dem Brandort, nur wenige hundert Meter entfernt, wird Fußball gespielt, geritten, oder mit dem Hund spazieren gegangen. Auch Kinder radeln mit ihren Eltern am Brandort vorbei und kommentieren die Rauchentwicklung: „Guck mal Papa, jetzt raucht es wieder schwarz“. Auch von der Feuerwehr ist zu diesem Zeitpunkt wenig zu sehen. Konnte man, wenn man schon nicht angeben konnte, was brannte und welche Werte gemessen werden und wurden, dann einfach sagen und verharmlosend von einer Geruchsbelästigung sprechen?

Transparenz gefragt

Die Shell stand schon nach dem Brand im Januar 2014 in ihrem Werk in Godorf für Ihre Informationspolitik in der Kritik. Diese verlief ähnlich schleppend, wie auch jetzt aktuell wieder. Damals spielten Kinder auf Schulhöfen. Es scheint das Unternehmen hält an der Strategie der verschleppten und zunächst verharmlosenden Information fest. Man kann nur Vermutungen anstellen, warum das Unternehmen Shell so agiert. Wollen die Herren der Kommunikation vermeiden, dass Medienvertreter frühzeitig von dem Brand erfahren, um so die hässlichen Bilder von den schwarzen pulsierenden Rauchwolken in den Medien zu verhindern? Und das in Zeiten der Handyfotografie? Jedem Medienvertreter werden für eine Handvoll Dollars oder Euros sofort Bilder oder Videos angeboten. Eine vernünftige Kommunikation, die Panik vermeidet, aber auch Gefahren klar benennt, wäre auch für ein Unternehmen wie Shell oberste Bürgerpflicht. Im Anschluss ist Transparenz gefragt: Welche Stoffe sind ausgetreten und wurden in welcher Konzentration gemessen. Diese Transparenz betrifft auch die überwachenden Behörden, wie Feuerwehren, Landkreise und Bezirksregierungen.

Die Berichterstattung zum Tag des Störfalles bei Shell >

Autor: Andi Goral
Foto: Der Störfall am gestrigen Tag bei Shell