Helga aus Köln ist 78 Jahre jung und trägt eine rote Nelke. Sie wird sich gleich in die 1. Mai Demo einreihen, nur am Startpunkt, da war ihr zu viel Getümmel. Auch die Urenkel von Helga sind dabei und ihr Sohn ist Betriebsrat. Seit sie selbst 15 Jahre alt ist, nimmt sie an den Demos am Tag der Arbeit teil. 63 Jahre lang, nur ein Jahr hat sie ausgesetzt, da war sie krank. Helga ist nett und adrett hergerichtet, eine typische Rentnerin. Helga ist Mitglied in der DKP. Ihr Mann war als Mitglied der KPD unter Adenauer sogar ein Jahr inhaftiert. Da die DKP zur Landtagswahl nicht kandidieren wird, wird Helga die Linke wählen. Die SPD will sie nicht wählen, die laviere ihr zuviel herum und wenn man etwas ändern will, muss man radikale Positionen beziehen. Ihre Kinder seien in keiner Partei mehr, engagieren sich aber immer noch und Politik spiele eine große Rolle in den familiären Diskussionen. Aber nicht nur Helga ist gekommen. Oberbürgermeister Jürgen Roters, Jochen Ott, Kölns SPD Chef, Anne Lüttkes, Grünen Chefin oder der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges und viele andere Mandatsträger aus SPD und Grünen, von attac und vielen politischen Organisationen.

Witich Rossmann, IG Metall: Hartz IV ist kein Erfolg
Auch die IG Metall ist wieder mit einer stattlichen Gruppe vertreten und Witich Rossmann, IG Metallchef der Region hat klare politische Forderungen und Ziele. Hartz IV sei kein Erfolg, auch wenn das alle melden würden. Und Rossmann kann das fundiert begründen. Alleine in der Metallindustrie seien nach Hartz IV bundesweit knapp 200.000 Leiharbeitsplätze entstanden, die teilweise nur die Hälfte der Löhne der regulären Beschäftigten erzielten. Jetzt in der Krise haben bereits 10 Prozent dieser Arbeitskräfte ihren Job verloren, ohne Abfindung, ohne Mitbestimmung oder dass der Betriebsrat hätte eingreifen können. Jetzt befürchtet Rossmann, dass man beim nächsten Aufschwung eine Explosion der Leiharbeit erleben werde. Die Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse sei somit das vorrangige Ziel und das für gleiche Arbeit gleicher Lohn bezahlt werde. Denn Zeitarbeit ist Niedriglohnarbeit, oder die zunehmende Zahl von Subunternehmen, die um die Stammbelegschaft herum gruppiert werden. Der Schwarz-Gelben Regierung wirft Rossmann vor die Finanzkrise nicht in den Griff zu bekommen und den Banken und Spekulanten weiter Tür und Tor zu öffnen, anstatt diese zu verpflichten den Unternehmen die für einen Aufschwung nötigen Kredite zu verschaffen.

Christa Nottebaum, Verdi Köln: Kampfente die gegen den Strom schwimmt
Eine rote Kampfente trug Verdi heute zur 1. Mai Demo vorneweg. Auch bei Verdi lautet die Botschaft „Gute Arbeit – guter Lohn“. Vom Land und Bund fordert Verdi die finanziell angeschlagenen Kommunen nicht im Stich zu lassen und vor allem auch in den Bereich Bildung zu investieren. Klare Botschaft auch, ist die Forderung nach der Abschaffung der Studiengebühren und für bessere Bedingungen schon in den Kitas zu sorgen. „Fair statt prekär“ ist auch bei Verdi die Kernbotschaft, denn man muss auch von seiner Arbeit leben können. Lohndumping, vor allem auch staatlich gefördertes, dürfe es in Zukunft nicht mehr geben, sondern der Mindestlohn muss kommen. Für Christa Nottebaum liegt der auch bald bei 10 Euro. Nur so könnte ein Auseinanderfallen der Gesellschaft aufgehalten werden.

Die Kampfente wird aber nicht nur bei der 1. Mai Demo schwimmen, sondern soll auch vor Betrieben platziert werden, in denen etwas falsch läuft. Damit man schon von Ferne sieht, in diesem Betrieb läuft etwas schief.

Andreas Kossiski, der DGB Vorsitzende der Region Köln Bonn thematisierte auf seiner Rede auf dem Kölner Heumarkt die Wirtschafts- und Finanzkrise und forderte in diesem Zusammenhang eine starken und handlungsfähigen Staat. Mit inhaltlichen Beispielen untermauerte Kossiski seine Forderungen: „Jedes Mal, wenn ihr an die Tankstelle fahrt, zahlt ihr rund 14 Cent mehr als es eigentlich sein müsste, denn die Spekulanten haben sich gerade das Öl ausgesucht. Auf den Weltmärkten wird aktuell 20mal mehr Öl gehandelt als produziert wird. Die Spekulationsgewinne zahlen wir alle – mit jeder Tankfüllung. Spekulanten wetten gerade auf die Zahlungsunfähigkeit von Griechenland, Portugal und Spanien. Jetzt kommt es darauf an, dass der Staat –  dass die Staatengemeinschaft – diese hemmungslose Zockerei, eindämmt.“ Vom Staat forderte Kossiski dass er unverschuldet in Not geratenen Menschen hilft, Arbeitsplätze sichert, Kommunen mit Geld ausstattet und Unternehmen stabilisiert.

Für die Kommunen fordert der DGB eine sichere Finanzierung, so dass sie handlungsfähig bleiben. Der FDP unterstellt er dabei Ahnungslosigkeit oder aber die Absicht aus den verschuldeten Kommunen Privatisierungsgewinne ziehen zu wollen. Und natürlich gab es Schelte für die wie Kossiski es nannte „Morgengaben für die Hoteliers und Erben“: Zur geplanten Steuerentlastung der FDP rechnet Kossiski gegen: „16 Milliarden weniger Steuereinnahmen bedeuten jedes Jahr 2,4 Milliarden Euro weniger für die Kommunen. Um dieses Geld einzusparen, müssten zum Beispiel rund 240.000 Kita-Plätze wegfallen. Den Ländern drohen Einnahmeausfälle von 6,8 Milliarden Euro – das entspricht 112.000 Lehrerstellen.“

Kossiski befürchtet, dass mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen Rückschritte in der Zivilgesellschaft verbunden sind, wie etwa die Schließung von Theatern oder Bädern und fordert eine gerechtere Steuerpolitik, die auch die Vermögenssteuer und reformierte Erbschaftssteuer einbezieht. Zudem müssen sofort demokratische Kontrollen in der Finanzwirtschaft eingesetzt werden und der DGB will eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene. Zudem sollen die Banken verpflichtet werden, wieder mehr der Realwirtschaft zu dienen.

Mindestlohn und Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Eine Regierung, die Niedriglöhne dulde und sich gegen Mindestlöhne stemme, verzichte nicht nur auf Steuereinnahmen, sondern sie subventioniere Unternehmen unnötigerweise mit Steuermitteln und beschädige die Würde der Arbeit – die Würde der Menschen, stellt Kossiski fest und definiert diese Handlungsweise als Missbrauch staatlicher Leistungen. Andreas Kossiski fordert eine Gleichstellung der Löhne zwischen Mann und Frau und bezeichnete diese Ungleichbehandlung als „Schande“. Frauen verdienten immer noch 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen bei gleicher Arbeit.

Für die Jugend forderte Kossiski einen „Schutzschirm für Ausbildungsplätze“. Es gäbe zu wenige Ausbildungsplätze und wenn hier nicht entscheidende Verbesserungen erreicht werden, dann wird es bald einen Fachkräftemangel geben, befürchtet der DGB. In der Bildung gäbe es „keine Erkenntnisprobleme, sondern Umsetzungsprobleme“, stellt der DGB fest. Der DGB setze auf Chancengleichheit in der Bildung und durch die Bildung. Kossiski: „Bildungspolitik ist primär eine Landesaufgabe – und hier hat die Landesregierung in den letzten Jahren versagt: Studiengebühren, Kibiz, G8 sind nur drei Fehlentscheidungen.“ Der DGB stehe auch für längeres gemeinsames Lernen. Der DGB lehnt die geplante Kopfpauschale im Gesundheitssystem ab. Und auch zum Rentensystem hat Kossiski eine dezidierte Meinung: „Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter eine anständige, existenzsichernde Rente erhalten. Wir haben die Rente mit 67 nicht vergessen! Sie muss vom Tisch – je früher umso besser!

Anke Zaar, von der IG Metall Jugend und Politikstudentin sprach für die DGB Jugend zum Thema Studium: "Ein elitäres, leistungsbezogenes Stipendiensystem der Regierung, fördert lediglich bereits die von Haus aus Privilegierten mit einem hohen Bildungsstatus! Das hiermit verbundene Auseinanderklaffen der Wohlstandsschere stärkt eine Bildungselite und ist schlicht und ergreifend unsozial! Eine sozial gerechte Alternative ist die Abschaffung von Studiengebühren bei gleichzeitiger, massiver Anhebung des BAföG! In kaum einem anderen Land ist die soziale Herkunft so stark mit dem Bildungsniveau verknüpft wie bei uns in Deutschland! Erschreckenderweise beginnen nur 23% von Nicht-Akademikerkindern ein Studium, wohingegen es bei Akademikerkindern ganze 83% sind! Früher sprach man von Adel, Klerus und Arbeitenden, heute von Akademikern, Arbeitenden und Harz-IV-Empfängern. Es kann doch nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass im 21. Jahrhundert noch immer der Stand der Eltern an die Kinder vererbt wird!"

Die Themen Migration und Integration, feste Arbeitsplätze nach der Ausbildung und viel mehr wurde an diesem 1. Mai in Köln angesprochen. Mit der Maikundgebung hat der DGB und seine Einzelgewerkschaften, aber auch die vielen Initiativen, Politiker, die sich beteiligt haben, dass die politisch, solidarsiche Bewegung immer noch eine starke Stimme hat in Köln und Deutschland und das es auch weiterhin gilt diese Stimme zu kultivieren und zu stärken.

[ag]