Das Hochhaus auf dem BioCampus in Bocklemünd. Foto: Eppinger

Köln | Nattermann gehört zu den bekannten Namen am Wirtschaftsstandort Köln. Bereits seit fast 120 Jahren gibt es das 1906 gegründete Pharmaunternehmen in Köln. Neben klassischen Medikamenten stellte man dort ab 1930 in Deutschland den ersten Arzneitee in einem industriellen Verfahren her. Später spezialisierte sich Nattermann auf die Erforschung und Entwicklung von Soja-Phospholipiden, Medikamente, die zur Vorbeugung von Lebererkrankungen eingesetzt werden, sowie von Phytopräparaten, die aus Heilpflanzen hergestellt werden. Zu den bekannten Marken zählte seit den 50er Jahren der Hustensaft Bronchicum.

Heute gehört das Kölner Unternehmen zum großen französischen Pharmakonzern Sanofi und hat sich bei der Herstellung in Köln auf rezeptfreie Medikamente zur Selbstmedikation spezialisiert. Etwa 450 Menschen arbeiten für Nattermann in Köln, davon mehr als 200 in der Produktion am 1967 in Betrieb genommenen Standort in Bocklemünd. Dort werden auf etwa 11.000 Quadratmetern feste und flüssige Arzneimittel für mehr als 90 Länder produziert. Im vergangenen Jahr verließen rund 115 Millionen Packungen das Kölner Werk.

Die Dachterrasse auf dem Hochhaus im BioCampus. Foto: Eppinger

Dieses liegt auf dem Gelände des heutigen BioCampus Köln, einer der größten Technologieparks in Deutschland, dessen Herzstück die markante frühere Nattermann-Unternehmenszentrale ist. Im Rahmen der “Nacht der Technik” gab es dort für die Besucher die Möglichkeit, einen Einblick in die Produktionsstätte von Nattermann sowie in die Arbeit und in Labore der dort ansässigen Unternehmen zu werfen.

“Wir geben hier jungen, innovativen Hightech-Unternehmen die Chance, sich zu entwickeln. Dafür stellen wir diesen Labore, Werkstätten und Büroflächen zur Verfügung. Mit einer Gesamtfläche von 17 Hektar hat jedes Unternehmen die Möglichkeit, am Standort weiter zu wachsen. Dafür gibt es hier noch reichlich freie, nutzbare Flächen. Aktuell haben wir hier 70 Unternehmen mit 1500 Mitarbeitern. Platz wäre aber für 200 Unternehmen mit bis zu 8000 Mitarbeitern”, berichtet BioCampus-Geschäftsführer André van Hall. Entwickelt werden in den Bereichen Life Science und Healthcare neben Medikamenten unter anderem auch Diagnosemittel, Medizintechnik sowie bioökonomische Strategien für eine effiziente und nachhaltige Produktion.

“Dazu zählt zum Beispiel das 2017 gegründete Unternehmen BluCan Biotech, das land- und forstwirtschaftlichen Restprodukten wie Stroh über einen enzymatischen Prozess Bioplastik herstellt. Ein anderes Unternehmen hat Diagnosekits für Brustkrebspatientinnen entwickelt. Über diese können diese die Wirksamkeit einer Chemotherapie erkennen”, sagt van Hall mit Blick auf das Portfolio des BioCampus in Bocklemünd, der an diesem Abend auch seine exklusive Dachterrasse mit einem beeindruckenden Rundumblick für die Gäste geöffnet hat.

Eine Arbeitsstation im Cadlab, wo OPs unter realen Bedingungen simuliert werden können. Foto: Eppinger

Zu den spannenden jungen Unternehmen, die die Besucher bei der “Nacht der Technik” besuchen können, zählt auch das Cadlab Cologne, ein OP-Trainingszentrum, das im vergangenen Jahr von rund 2200 Ärzten genutzt wurde. Das Start-up Rimasys hat dafür eine Computertechnologie entwickelt, die die Herstellung von standardisierten und reproduzierbaren Frakturen an Humanpräparaten wie zum Beispiel an einem Knie- oder Handgelenk ermöglicht.

Im Trainingscenter in Bocklemünd führen Chirurgen und Orthopäden aus ganz Europa unter realistischen Bedingungen an den bis zu acht Arbeitsstationen an Humanpräparaten von Körperspendern Operationen wie zum Beispiel bei einem komplizierten Knochenbruch durch. Zudem können hier Industrieunternehmen aus der ganzen Welt an neuen Verfahren und Materialien wie zum Beispiel Titanplatten oder Schrauben forschen.

Blick auf die 11.000 Quadratmeter großen Produktionshallen von Nattermann. Foto: Eppinger

Eine andere Führung begibt sich am Freitagabend in die Produktionshallen von Nattermann, wo unter strengen Hygieneauflagen Medikamente produziert, abgefüllt und verpackt werden. Dazu gehört zum Beispiel das im Nachbarland Frankreich sehr bekannte Schmerz- und Fiebermedikament Doliprane, das in Bocklemünd in verschiedenen Darreichungsformen vor allem für den französischen Markt hergestellt wird.

Das passiert zum Beispiel bei der modernen Anlage, die das auf dem Wirkstoff Paracetamol beruhende Medikament in flüssiger Form in Flaschen abfüllt. Der Herstellungsprozess läuft im Drei-Schichten-Betrieb weitgehend automatisiert ab. So werden die leeren Flaschen mit gefilterter Luft ausgeblasen, um mögliche Rückstände zu entfernen. Im Anschluss an die Befüllung werden diese verschlossen und dann inklusive Pipette und Beipackzettel in kleine rosa Kartons verpackt.

Eine Charge umfasst 20.000 Liter des Medikaments, das in 193.000 Flaschen abgefüllt wird. Das entspricht der Füllmenge eines großen Tanklastzugs. Der Rekord im Werk liegt nach Unternehmensangaben bei 217.000 Flaschen in 24 Stunden. Zu den Darreichungsformen der in Köln produzierten verschiedenen Medikamente gehören unter anderem auch aus Granulat gepresste Brausetabletten.

Hergestellt und verpackt werden im Werk aber auch zum Beispiel Kapseln mit dem Soja-Phosopholipid-Präparat Essentiale, das bei Lebererkrankungen eingesetzt und für den osteuropäischen Markt produziert wird. In den Bocklemünder Werkshallen werden zudem das Antiallergikum Zodac, der Fiebersaft Ibuflam für Kinder sowie weitere Medikamente des Pharmakonzerns hergestellt und verpackt.

Um die höchstmögliche Kontrolle zu haben, wird der gesamte Herstellungsprozess engmaschig dokumentiert und überwacht. So werden zum Beispiel Kameras dafür eingesetzt, um die Bedruckungen der Packungen mit ID- und Chargen-Nummer sowie dem Ablaufdatum zu kontrollieren.