Isabella Ducrot, 'Li Jang', 1997 at the exhibition ' Back to nature 2021- Contemporary art in Villa Borghese' at Carlo Bilotti museum and at the Parco dei Daini ,Rome, ITALY-11-05-2021, Credit:Mimmo Frassineti / Avalon

Köln | Noch bis zum 24.08.2024 zeigt die Kölner Galerie Gisela Capitain Arbeiten der italienischen Künstlerin Isabella Ducrot. Die heute 93-Jährige, die ihre künstlerische Aktivität erst mit Mitte 50 begann und zwanzig Jahre mehr oder minder im Verborgenen betrieb, ist heute der Darling der internationalen Kunstszene. Die Kölner Galeristin hat keinen unwesentlichen Anteil daran. Von Christoph Mohr

Es kommt nicht so häufig vor, dass ein Künstler erst mit Mitte 50 sein künstlerisches Schaffen beginnt. Noch weniger, dass das zwanzig Jahre lang mehr oder minder unbeachtet bleibt und dann binnen weniger Jahre geradezu explosionsartig zum Erfolg wird. Und doch ist dies in Kurzform die Karriere der italienischen Künstlerin Isabella Ducrot, die, heute 93 Jahre alt, so etwas wie der Darling der internationalen Kunstszene geworden ist. Zu sehen sind ihre Arbeiten gegenwärtig in der Kölner Galerie Gisela Capitain, die nicht unwesentlich zu diesem Erfolg beigetragen hat.

bad flowers – Galerie Gisela Capitain (galeriecapitain.de)

Der erste Eindruck, den viele Besucher haben, wenn sie Arbeiten von Isabella Ducrot sehen, ist, dass es sich um Arbeiten einer jungen Künstlerin handeln muss. Tatsächlich strahlen diese Blumenmotive und Textilcollagen, die Markenzeichen der Isabella Ducrot, etwas junges aus, was nicht nur daran liegt, dass viele Arbeiten an Kinderzeichnungen erinnern. Der andere Vergleich, der immer wieder fällt, ist Henri Matisse. Auch dieser Großkünstler der Klassischen Moderne (1869-1954) und Picasso-Konkurrent verbarg hinter einem spielerischer Bildaufbau und vermeintlich „leichten“ Themen tiefe Gedanken. Und natürlich liebte auch er Blumen.

2024 wird ein sehr erfolgreiches Jahr für die Künstlerin Isabella Ducrot gewesen sein. Im Januar dieses Jahres war sie auf Einladung der italienischen Modedesignerin Maria Grazia Chiuri, der ersten Frau an der Spitze von Dior, an den Haute Couture-Schauen von Dior beteiligten. Die großformatigen Arbeiten an den Wänden, ursprünglich wohl eher als Dekoration gedacht, erregten international Aufsehen, manche sagen, sie hätten den Models und der Mode die Schau gestohlen und mehr Beachtung als die Mode gefunden. Wie dem auch immer sei, sie waren ein Hingucker, die fashion world took notice.

Isabella Ducrot: Big Aura Installation – Installation Views | Sadie Coles HQ

In New York zeigte die Petzel Gallery, Kooperationspartner der Kölner Galerie Gisela Capitain, im Januar und Februar 2024 Arbeiten von Isabella Ducrot in einer Einzelausstellung.

Isabella Ducrot – No Words – Viewing Room – Petzel Gallery

Und parallel zu der Ausstellung in Köln zeigt gegenwärtig auch die Galerie Sadie Coles in London bis 17. August 2024 eine Einzelausstellung der italienischen Künstlerin. Zu sehen sind hier neue Arbeiten mit Blumenmotiven auf Textilcollagen. Sadie Coles, eröffnet 1997, ist eine Galerie für zeitgenössische Kunst, die sich vor allem eine Reputation für Young British Artists (Britart) aufgebaut hat.

Isabella Ducrot: Remembering flowers – Installation Views | Sadie Coles HQ

Noch bis zum 04. September 2024 widmet das Consortium Museum im französischen Dijon der Künstlerin eine große Einzelausstellung mit neuesten Arbeiten aus den Jahren 2022-2024 (Kurator: Franck Gautherot).

Profusione | Le Consortium

Und in Rom zeigt das Museo delle Civiltà vom 1. August 2024 bis 16. Februar 2025 die Ausstellung „Isabella Ducrot – Tessere è umano“ (Weben ist menschlich).

TESSERE È UMANO Isabella Ducrot… … e le collezioni tessili del Museo delle Civiltà (museodellecivilta.it)

Noch besser: Soeben wurde bekannt, dass das MADRE (Museo d’Arte Contemporanea Donna Regina), das 2005 eröffnete Museum für zeitgenössische Kunst in Neapel)f, für 2026 eine große Isabella Ducrot-Retrospektive in ihrer Geburtsstadt plant. Kurator ist Adam Weinberg, der bis Herbst 2023 zwanzig Jahre das berühmte Whitney Museum in New York geleitet hat.

Nicht schlecht für eine Künstlerin, die vor wenigen Jahren nur wenige und vor zwei Jahrzehnten niemand kannte.

Zu verdanken hat Isabella Ducrot ihre Entdeckung nicht zuletzt dem italienischen Kunsttheoretiker, Namensschöpfer des Begriffs „Transavanguardia“ (1979), und Kurator Achille Bonito Oliva, einem der großen Namen der italienischen Kunstszene.

Es war Achille Bonito Oliva, der als Kurator des italienischen Pavillons auf der 45. Biennale von Venedig 1993 erstmals auf einer Kunstausstellung dieser Bedeutung eine große Arbeit von Isabella Ducrot zeigte.

Es war wieder Achille Bonito Oliva, der 2005 Isabella Ducrot einlud, sich mit einer Arbeit an Metro Art Napoli zu beteiligen. Metro Art Napoli ist eines der schönsten Projekte der 3-Millionen-Einwohner-Stadt am Vesuv. Entlang der U-Bahn-Linie 1 gibt es über und unter der Erde nicht weniger als 250 Arbeiten von über 80 zeitgenössischen Künstlern, die eigens für den jeweiligen Standort geschaffen wurden. Für Metro Art Napoli schuf Isabella Ducot zwei Mosaiken für die Metro Station Piazza Vanvitelli, die dort dauerhaft zu sehen sind.

Coles, eröffnet 1997, ist eine Galerie für zeitgenössische Kunst, die sich vor allem eine Reputation für Young British Artists (Britart) aufgebaut hat.

Isabella Ducrot: Remembering flowers – Installation Views | Sadie Coles HQ

Noch bis zum 04. September 2024 widmet das Consortium Museum im französischen Dijon der Künstlerin eine große Einzelausstellung mit neuesten Arbeiten aus den Jahren 2022-2024 (Kurator: Franck Gautherot).

Profusione | Le Consortium

Und in Rom zeigt das Museo delle Civiltà vom 1. August 2024 bis 16. Februar 2025 die Ausstellung „Isabella Ducrot – Tessere è umano“ (Weben ist menschlich).

TESSERE È UMANO Isabella Ducrot… … e le collezioni tessili del Museo delle Civiltà (museodellecivilta.it)

Noch besser: Soeben wurde bekannt, dass das MADRE (Museo d’Arte Contemporanea Donna Regina), das 2005 eröffnete Museum für zeitgenössische Kunst in Neapel)f, für 2026 eine große Isabella Ducrot-Retrospektive in ihrer Geburtsstadt plant. Kurator ist Adam Weinberg, der bis Herbst 2023 zwanzig Jahre das berühmte Whitney Museum in New York geleitet hat.

Nicht schlecht für eine Künstlerin, die vor wenigen Jahren nur wenige und vor zwei Jahrzehnten niemand kannte.

Zu verdanken hat Isabella Ducrot ihre Entdeckung nicht zuletzt dem italienischen Kunsttheoretiker, Namensschöpfer des Begriffs „Transavanguardia“ (1979), und Kurator Achille Bonito Oliva, einem der großen Namen der italienischen Kunstszene.

Es war Achille Bonito Oliva, der als Kurator des italienischen Pavillons auf der 45. Biennale von Venedig 1993 erstmals auf einer Kunstausstellung dieser Bedeutung eine große Arbeit von Isabella Ducrot zeigte.

Es war wieder Achille Bonito Oliva, der 2005 Isabella Ducrot einlud, sich mit einer Arbeit an Metro Art Napoli zu beteiligen. Metro Art Napoli ist eines der schönsten Projekte der 3-Millionen-Einwohner-Stadt am Vesuv. Entlang der U-Bahn-Linie 1 gibt es über und unter der Erde nicht weniger als 250 Arbeiten von über 80 zeitgenössischen Künstlern, die eigens für den jeweiligen Standort geschaffen wurden. Für Metro Art Napoli schuf Isabella Ducot zwei Mosaiken für die Metro Station Piazza Vanvitelli, die dort dauerhaft zu sehen sind.


Oriente e Occidente (anm.it)

Metro Art ANM

Und es war erneut Achille Bonito Oliva, der die Künstlerin 2015 einlud, ihre Installation „Effimero“ im Nationalen Archäologischen Nationalmuseum von Neapel zu zeigen.

Den Durchbruch auf internationaler Ebene verdankt Isabella Ducrot hingegen der Kölner Galeristin Gisela Capitain. Sie widmete der italienischen Künstlerin 2019 ihre erste Einzelausstellung („Bella Terra“) in Köln, der 2021 eine zweite und nun eine dritte gefolgt sind.

Hilfreich war zweifelsohne auch die Kooperation zwischen den Galerien Gisela Capitain in Köln und Petzel in New York.

1994 von Friedrich Petzel gegründet, ist Petzel heute zwei Galerien in New York vertreten. Seit 2008 betreiben die beiden Galeristen gemeinsam in Berlin die an der Karl-Marx-Allee, dem DDR-Prachtboulevard (Stalinallee) in Ost-Berlin gelegene Galerie Capitain Petzel.


Capitain Petzel

Auch Capitain Petzel in Berlin präsentierte die Künstlerin mehrfach, so etwa 2019/2020 mit der Ausstellung „Big Aura“. Nun folgte Petzel Gallery mit einer Einzelausstellung in New York.

Vor ihrem Leben als Künstlerin war Isabella Ducrot erst einmal die Frau von Vittorio „Vicky“ Ducrot (und Mutter von zwei Söhnen).

Der Name Ducrot ist auch ein Stück italienischer, besser noch sizilianischer Geschichte. Vittorio Ducrot, der Großvater gleichen Namens, war Anfang des 20. Jahrhunderts einige Jahrzehnte lang einer der wichtigsten italienischen Möbelhersteller, insbesondere auch von Luxusmöbeln im Art Déco-Stil.

1939 wurde das Unternehmen verkauft. Das ehemalige Ducrot-Fabrikgelände in Palermo ist heute unter dem Namen Cantieri Culturali alle Zisa ein Kulturzentrum, in dem sich auch das Goethe-Institut Palermo angesiedelt hat.

Vittorio „Vicky“ Ducrot gründete 1973 den Fernreiseveranstalter Viaggi dell’Elefante (Rom), der noch heute besteht und von Sohn Enrico Ducrot geleitet wird. Mit ihrem Mann unternahm Isabella Ducrot zahllose Reisen nach China, Indien, Tibet, in die Türkei und die Länder Zentralasiens. Von dort brachte sie Textilien (und indische Miniaturen aus Rajasthan) mit; die so entstandene Sammlung hat heute Museumsrang. Diese Sammlung von Textilien aus aller Welt stellte Isabelle Ducort auch in ihrem umfangreichen Buch „Stoffe“ (Quodlibet 2023) vor.

1978 kauften Vicky und Isabella Ducrot auch ein kleines altes Landhaus in Umbrien. Von nun an sollten sie von allen ihren Reisen auch seltene Rosen mit nach Italien bringen. Das 10 Hektar große Gelände mit über 3000 Rosen, Ducrot Rose Garden genannt, kann besichtigt werden.


Home – Ducrot Rose Garden

Die Sammelfreude des Ehepaars Ducrot ging noch weiter. Über die Jahre kauften sie für ihr Apartment eine stattliche Zahl an Barockgemälden italienischer Künstler, zu einer Zeit, zu der solche Arbeiten völlig aus der Mode waren und man für ekstatische Heilige und den Tod in der Malerei nur wenig Sinn hatte. Mag sein, dass für eine gebürtige Neapolitanerin und einen gebürtigen Sizilianer eine solche Vorliebe nahe liegt. Aber die Ducrots hatten auch ein gutes Auge für künstlerische Qualität: das Cleopatra-Gemälde von Artemisia Gentileschi, die nach einer Neubewertung von Künstlerinnen in der Kunstgeschichte heute zu den ganz Großen gezählt wird, hätten heute viele Museen gerne in ihrer Sammlung.  Die National Gallery in London zeigte es im Rahmen der Ausstellung „Five heroines by Artemisia“


Five heroines by Artemisia | Artemisia | National Gallery, London

2002, da waren die Ducrots schon in ihren 70ern, bezogen sie eine großräumige Wohnung in der obersten Etage des Palazzo Doria-Pamphilj in Rom. Hier lebt und arbeitet die heute 93-Jährige bis heute. Im Erdgeschoss hat sie ihr Atelier.

In einer Stadt, in der nahezu jeder Stein Geschichte hat, ist der Palazzo Doria-Pamphilj, an der via del Corso gelegen, der zentralen Achse, die das historische Zentrum Roms durchzieht und mit den Ausmaßen eines gesamten Häuserblocks, noch einmal etwas Besonderes: lebendige Geschichte. Der Palazzo wird noch heute von Prinz Jonathan Doria Pamphilj und seinem Lebenspartner bewohnt, die Familie, stadtrömischer Hochadel, kann in ihrer Geschichte mehrere Kirchenfürsten, Kardinäle und sogar einen Papst aufweisen.

Der Palazzo beherbergt mit der Galleria Dorio Pamphilj auch eine der größten Altmeistersammlungen (Caravaggio, Claude Lorrain, Hans Memling, Raffael, Tintoretto, Tizian, Velásquez etc.) in Privatbesitz (die im Übrigen auch digital geradezu mustergültig zugänglich ist.).


Le Opere – Doria Pamphilj – da 500 anni contemporanei all’arte

Auch hier vermischen sich Kunst und Familiengeschichte: Zu der Sammlung gehört noch heute das berühmte Velásquez-Portrait von Papst Innozenz X Pamphilj.

VELÁZQUEZ – Doria Pamphilj – da 500 anni contemporanei all’arte

und die marmorne Papstbüste von Gian Lorenzo Bernini.

GIAN LORENZO BERNINI – Doria Pamphilj – da 500 anni contemporanei all’arte

So darf man sich die heute 93-Jährige wohl als eine glückliche Künstlerin vorstellen, die in ihrer Arbeit all das aufnehmen und in Kunst umsetzen kann, was ihr Leben ausgemacht hat, die Blumen, die Textilien, die Liebe. Und eine Kölner Galerie hat ein bisschen dazu beigetragen.


Wer mehr wissen will:

Köln

Galerie Gisela Capitain

St. Apern-Strasse 26

50667 Köln

Isabella Ducrot – bad flowers

bis 24.08.2024

Bilder der Ausstellung finden sich hier:

bad flowers – Galerie Gisela Capitain (galeriecapitain.de)


London

Galerie Sadie Coles

8 Bury Street

London SW 1J

bis 17. August 2024

Remembering Flowers

Bilder der Ausstellung finden sich hier:

Isabella Ducrot: Remembering flowers – Installation Views | Sadie Coles HQ


Dijon

Consortium Museum Dijon

37, rue de Longvic

F-21000 Dijon

Ausstellung “Profusione”

bis 08. September 2024

Profusione | Le Consortium


Isabella Ducrot & Dior

Big Aura Installation

22 January 2024

Dior Haute Couture Show

Sping-Summer 2024

Musee Rodin, Paris

Isabella Ducrot: Big Aura Installation – Installation Views | Sadie Coles HQ


Napoli

Metro Art Napoli

Oriente e Occidente (anm.it)

Metro Art ANM


Das Buch

Isabella Ducrot

Stoffe

Quodlibet 2023

580 Seiten

ISBN: 9788822906724

Palazzo & Gallerie Doria Pamphilj Rom

Galleria Doria Pamphilj

via del Corso, 305

I-00186 Roma RM

ROMA – Doria Pamphilj – da 500 anni contemporanei all’arte


The New Yorker

mehrseitiges, tiefgründiges Portrait

“An Artist Flowering in her nineties” (Autorin: Rebecca Mead)

Erscheinungsdatum: 22. Juli 2024

Isabella Ducrot, an Artist Flowering in Her Nineties | The New Yorker