Das Archivbil zeigt Alexander Dobrindt im Deutschen Bundestag. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | Die CSU verschärft ihren Kurs in der Migrationspolitik und droht Ukraine-Flüchtlingen ohne Arbeit mit Ausweisung in ihr Heimatland. „Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, sagte CSU-Landesgruppenchef Dobrindt der „Bild am Sonntag“. Die SPD Co-Chefin Esken hält dagegen.

Dobrindt forderte – wie schon zuvor andere Unionspolitiker – Änderungen bei den staatlichen Hilfen für Geflüchtete aus der Ukraine. Das Bürgergeld zu Beginn von Putins Angriffskrieg sei als schnelle Hilfe gedacht gewesen, aber längst zur Arbeitsbremse geworden. Es halte zu viele Menschen aus der Ukraine in der Sozialhilfe fest, kritisierte der CSU-Mann. „Wir brauchen stärkere Mitwirkungspflichten für Asylbewerber, wenn es um die Arbeitsaufnahme geht. Es muss ein Angebot auf Arbeit geben und dieses muss Teil einer Integrationsleistung sein“, so Dobrindt.

Scharfe Kritik an Dobrindts Vorstoß kommt von der SPD. Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Sonntagszeitung: „Putin bombardiert immer wieder Ziele in der gesamten Ukraine. Hierhin will Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken, die möglicherweise ihren Vater bereits an der Front verloren haben. Die CSU sollte sich schämen ob solcher Forderungen und das C für christlich endgültig aus ihrem Namen streichen.“

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte der „Bild am Sonntag“: „Die Unterstellung, die Ukrainer kämen wegen des Bürgergelds zu uns, verkennt das Grauen des Krieges Putins.“ Der Parteivorsitzende lehnte die Vorschläge aus der Union ab, Ukrainern nicht sofort Bürgergeld zu gewähren, sondern sie zuerst ins reguläre Asylverfahren zu verweisen. Nouripour: „Natürlich müssen wir die Ukrainer noch schneller in Arbeit bringen. Aber neue rechtliche Hürden, wie sie die CDU will, helfen da doch nicht, sie schaden.“

Martin Rosemann, Arbeitsmarkt-Experte der SPD-Fraktion, verwies in der „Bild am Sonntag“ darauf, dass viele der Ukraine-Flüchtlinge alleinerziehende Mütter seien: „Die Hürden für ukrainische Geflüchtete beim Start ins Arbeitsleben liegen bei der fehlenden Kinderbetreuung, mangelnden Sprachkenntnissen und der langwierigen Anerkennung von Berufsabschlüssen.“ Der Vorschlag, sie aus dem Bürgergeld ins Asylverfahren zu packen, nannte er „populistischen Unsinn“.

Esken wirft Dobrindt bröckelnde Solidarität mit Ukrainern vor

SPD-Chefin Saskia Esken hat den Vorstoß von CSU-Gruppenchef Alexander Dobrindt, Ukraine-Flüchtlinge ohne Job in ihre Heimat zurückzuschicken, zurückgewiesen. Es sei erstaunlich, dass Dobrindts Solidarität mit den von Putin angegriffenen Ukrainern sofort zu bröckeln anfange, wenn es um „populistische Punktgewinne gegen das Bürgergeld“ gehe, sagte Esken dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe).

„Möchte Herr Dobrindt wirklich Frauen und Kinder in ein Land zurückschicken, in dem die Zivilbevölkerung zu den Zielen des imperialistischen Aggressors Putin gehört?“, fragte Esken. Das sei unmenschlich.

„Selbstverständlich müssen wir uns weiter anstrengen, damit Geflüchtete schneller auf den Arbeitsmarkt kommen“, fügte die SPD-Chefin hinzu. Der „Job-Turbo“, den man dafür aufgelegt habe, beginne gerade zu wirken. „Wir müssen aber auch festhalten, dass es vor allem die fehlende Kinderbetreuung für die überwiegend zu uns geflüchteten Frauen schwierig macht, Jobs anzunehmen“, so Esken.

Scharfe Kritik an Dobrindt nach Bürgergeld-Vorstoß 

Für seine Forderung, die Arbeitsaufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge zur Voraussetzung für das Bleiberecht in Deutschland zu machen, wird CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt scharf von Grünen und SPD im Bundestag kritisiert.

„Herr Dobrindt schürt Vorurteile gegen Menschen aus der Ukraine, damit macht er das Geschäft Moskaus in Deutschland“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der „Welt“ (Montagsausgabe). „Putin freut sich. Politik gegen Arbeit, absurder wird es nicht.“ Die CSU wolle Frauen und Kinder in ein Kriegsgebiet schicken, „das C für christlich wird immer mehr zur Farce“.

Audretsch verweist auf den bestehenden gesellschaftlichen Konsens in Deutschland, all jenen Schutz zu bieten, die vor dem Krieg flüchten. „Die Union ist gerade dabei, diesen Konsens einzureißen. Es ist ein historischer Fehler, wenn für CDU und CSU bei einer der großen Fragen unserer Zeit eine billige Kampagne wichtiger ist als der Kompass für Frieden und Freiheit“, so der Grünen-Politiker.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, kritisierte unterdessen: „Die CSU will Mütter mit kleinen Kindern in Kriegsgebiete abschieben. Solche Vorschläge sind unfassbar, populistisch und unchristlich.“ Die CSU lasse keine Ideen abseits von Kürzungen erkennen, wodurch Geflüchtete schneller in Arbeit kommen könnten. „Menschen, denen es ohnehin schon schlecht geht, gegeneinander auszuspielen, ist der Appell an niedere Instinkte.“

Sahra Wagenknecht gibt Dobrindt hingegen in Teilen Recht. „Dass in Dänemark mehr als 80 Prozent der Ukrainer arbeiten, während es hierzulande gerade mal ein Viertel ist, empört die Bürger zu Recht. Wer unseren Schutz in Anspruch nimmt, von dem kann man auch erwarten, dass er mit eigener Arbeit dazu beiträgt, die Kosten zu minimieren“, so die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).

Entscheidend sei aber die Frage von Krieg und Frieden. „Sobald die Waffen schweigen, sollten die Menschen natürlich in ihre Heimat zurückkehren“, so Wagenknecht. Ein Einfrieren des Kriegs an der jetzigen Frontlinie als Ausgangspunkt von Friedensverhandlungen wäre eine realistische Option. Solange der ukrainische Präsident aber mit Rückendeckung der Bundesregierung auf einem Komplett-Rückzug der russischen Truppen als Voraussetzung für Friedensgespräche beharre, werde der Krieg weitergehen. „Das Sterben durch immer mehr Waffenlieferungen und unrealistische Vorbedingungen für Friedensgespräche zu verlängern und dann die Leute zurückzuschicken, damit sie in einem sinnlosen Stellvertreterkrieg ihr Leben opfern, ist an Zynismus nicht zu überbieten“, sagte Wagenknecht.