Eine Stadtbahn der Kölner Verkehrsbetriebe KVB

Köln | Der Kölner Rat berät in diesem Jahr über ein gigantisches Verkehrsprojekt für die kommenden Jahrzehnte in der Kölner Innenstadt. Dabei handelt es sich eigentlich nur um einen Miniausschnitt aus dem Schienensystem in Köln. Die Frage ist fährt die Straßenbahn – in Köln Stadtbahn genannt – auf der Ost-West-Achse irgendwann einmal unterirdisch. Das Bündnis Verkehrswende schaut auf die Fakten, zieht seine Schlüsse und argumentiert für „Oben bleiben“.  Teil 1 von 2 der Argumente des Bündnisses Verkehrswende.

Rat wird später entscheiden

Die Kölner SPD ist bei der Tunnelfrage der Ost-West-Achse eine Art Zünglein an der Waage. Denn die Parteien des Ratsbündnisses sind sich nicht einig. Die Grünen sind für die oberirdische Lösung. Die CDU ist für buddeln, also den Tunnel, wie auch die FDP. Volt ist noch unklar und die SPD will sich noch beraten. Sie ist nicht eindeutig zu verorten, da die Sozialdemokraten schon einen Vorschlag zum oberirdischen und unterirdischen Ausbau plakatierten. Aber es wird im Juni 2024 nicht mehr zu einer Ratsentscheidung kommen, weil die Sozialdemokraten sich noch beraten wollen. Damit wird es vor der Sommerpause keine Entscheidung mehr kommen.

Köln hat keine U-Bahn, sondern unterirdisch fahrende Straßenbahnen

Werden die Stadtbahnen zwischen Heumarkt und Zülpicher Platz oder Aachener Straße zukünftig unter der Erde rollen oder oberirdisch fahren? Es geht um 2,7 Kilometer Schiene. Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) geben die Gesamtlänge des Kölner Stadtbahn-Schienennetzes mit 250 Kilometern an. Davon sind aktuell etwas mehr als 40 Kilometer untertunnelt. Das bedeutet: 16 Prozent des Stadtbahnnetzes werden durch Tunnel befahren. Es gibt keine einzige Stadtbahn in Köln, die nur unterirdisch fährt. Die 2,7 Kilometer, um die es jetzt geht, machen 1,08 Prozent des gesamten Kölner Stadtbahnnetzes aus. Damit würde sich der Anteil unterirdisch befahrbarer Stadtbahnstrecken in Köln lediglich auf 17,08 Prozent erhöhen. Und diese 2,7 Kilometer Strecke kommen nicht hinzu, denn es gibt sie aktuell schon oberirdisch.

Dieser Fakt ist wichtig, um zu verstehen, dass das Bündnis Verkehrswende davon spricht, dass die Beförderungskapazität durch den Tunnel der Ost-West-Achse nicht erhöht werde. Zudem macht das Bündnis darauf aufmerksam, dass die Langzüge nur auf der KVB-Linie 1 fahren werden. Dies ist oberirdisch genauso möglich.

Was könnten die Kölner:innen vom Tunnel haben?

Kölner:innen sollten in der Debatte, die durchaus emotional geführt wird, einfach mal fragen, welchen Vorteil sie von der Tunnellösung hätten? Die KVB errechnet einen Zeitvorteil für die Stadtbahnen durch die 2,7 Kilometer lange untertunnelte Stadtbahnstrecke. Dazu legt sie zugrunde, dass die Bahnen mit 55 bis 70 km/h durch den Tunnel rasen können, die Haltestelle an der Mauritiuskirche entfällt und es weniger Querungen und Störungen geben wird. Stimmen diese Annahmen, errechnet die KVB, dass sich eine Einsparung von 3 bis 4 Minuten auf den 2,7 Kilometern ergebe.

Hier hält das Bündnis Argumente entgegen. Die meisten Fahrgäste möchten in die Kölner Innenstadt. Wer heute etwa am Neumarkt oder Heumarkt ankommt, steigt aus und ist dort wo er hinmöchte. Die Straße gequert und schon kann es mit dem Shoppen losgehen. Bei der Tunnellösung kommen die Fahrgäste tief unter der Erde an. Vier Etagen müssen überwunden werden, bevor die Oberfläche erreicht wird. Vorausgesetzt die Rolltreppen und Aufzüge funktionieren. Neben der Frage der Barrierefreiheit stellt das Bündnis die Frage, ob die minimal eingesparte Fahrzeit der Bahn nicht durch verlängerte Wege an die Oberfläche oder den Wegfall einer Haltestelle aufgefressen werde und sich am Ende als Nullsummenspiel oder schlimmer noch als Reisezeit verlängernd ergeben könnte. Dabei gibt es schon einen Ort, an dem Kölner:innen erkennen können, wie lange es dauert bis man von ganz unten wieder oben ist: Am Heumarkt. Wer dort mit der Linie 5 ankommt, merkt wie weit tief unten bedeuten kann.

Für die Kölner:innen geht es ja nicht um die Fahrzeit im Tunnel, sondern um ihre individuelle Gesamtreisezeit von Punkt A nach Punkt B in der Stadt. Also die Frage nach Verfügbarkeit und Anschluss des Angebotes und die Zeiten, die zu Fuß einzuberechnen sind. Denn wer den ÖPNV nutzt, wird immer auch Strecken zu Fuß zurücklegen, da ja nicht die KVB Haltestelle Ziel seiner Reise ist.

Die Frage nach der Zuverlässigkeit der Bahnen

Ein Argument der Tunnelbefürworter ist: Bahnen, die im Tunnel fahren seien zuverlässiger. Dem will das Bündnis so nicht Recht geben. Denn die Bahnen fahren als Stadtbahnen oberirdisch und unterliegen dort weiterhin Störungen, Querungen oder sind in Unfälle oder Staus verwickelt. Im Tunnel gilt zudem, dass ein zweiminütiger Sicherheitsabstand zwischen den Bahnen eingehalten werden müsse. Auch aus diesem Grund hinterfragt das Bündnis Verkehrswende die Fahrtzeitvorteile, da der Heumarkt ein Nadelöhr bleibe.

Was der Tunnel während der Bauzeit bedeutet

Auch wenn es schon einige Zeit her ist, viele Kölner:innen werden sich an die Bauarbeiten der Nord-Süd-Stadtbahn erinnern und damit ist nicht der Einsturz des Stadtarchivs am Waidmarkt gemeint. Hier wirft das Bündnis Verkehrswende der Stadt vor, die Zahlen zu schönen. Die Denkmalpflege nennt in einem Bericht 10 Jahre für die Sicherung und Bergung der Bodendenkmäler. Die Tunnelgrabungen finden in einer Zone statt, in denen Menschen seit Jahrhunderten siedelten. Die Stadtverwaltung rechnet mit einer Gesamtbauzeit von 10 bis 12 Jahren und will die Archäologie parallel stattfinden lassen. Das Bündnis Verkehrswende rechnet mit einer Bauzeit von zwei Jahrzehnten, wegen der Erfahrungen beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn. Einen parallelen Prozess zwischen Bodenarchäologie und Bauarbeiten hält das Bündnis daher für abwegig. Für die Kölner:innen bedeutet dies jahrelange Umleitungen für alle Verkehrsarten. Das Bündnis Verkehrswende hält dagegen, dass ein oberirdischer Ausbau nur 3 bis 5 Jahre dauern würde.

Die Kölner:innen müssten verstehen, dass etwa die Linien 3,4 und 18 für rund 14 Monate wegen der Tunnelarbeiten unterbrochen werden müssten, die Linie 9 sogar für rund 24 Monate, wenn alles im Zeitplan verläuft. Ein weiteres Thema ist die Barrierefreiheit während der Bauphase.

Das Bündnis zweifelt die Nutzen-Kosten-Berechnung an

2018 lag der Indikator für Nutzen und Kosten bei 1,0 und die Tunnelbefürworter freute dies, denn mit diesem wurde die Förderfähigkeit festgestellt. Das Bündnis Verkehrswende wundert sich warum dieser heute bei 1,4 liege und das obwohl die Baukosten deutlich durch Inflation und Krieg stiegen. Damals konnte die oberirdische Variante 2,3 erreichen. Deren Indikator sank nun auf 1,3. Wie dieses Ergebnis zustande kommt ist nicht transparent offengelegt, sagt das Bündnis. Daher hat das Bündnis Verkehrswende die Unterlagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz eingefordert. Ob und wann die Stadt die Unterlagen herausrücken wird, ist derzeit noch unklar. Aber vielleicht kann die Kölner Kommunalpolitik vor der Ratsentscheidung für Klarheit sorgen.

Personal und Bau

Der Tunnel auf der Ost-West-Achse muss 30 Meter tief unter die Erde. und dass bei diesem Baugrund. Das Bündnis Verkehrswende rechnet vor, dass alleine für den Aushub der Baustelle am Kölner Rudolfplatz 11.700 Lkw-Transporte erforderlich wären. Das problematische Grundwasser ist dem Bündnis Verkehrswende zu wenig beachtet, vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Nord-Süd-Stadtbahn. Die Haltestellen stehen im Grundwassser, aber die Stadtverwaltung setzt nicht auf Vereisung, sondern auf „Schlitzwände“. Ein Wort mit besonderer Bedeutung in Köln. Das Bündnis spricht von schmallippigen Aussagen der Stadtverwaltung. Und das Bündnis stellt eine Frage nach den Personalressourcen für den Tunnelbau, die es nicht gebe und wirft der Stadtverwaltung vor, hier Personal zu binden und damit über Jahre die Verkehrsentwicklung in der Gesamtstadt für den Tunnel zu blockieren. Auch hier kritisiert das Bündnis Verkehrswende die Vorlage der Stadtverwaltung als intransparent.

Klimanotstand und Tunnelbau

2019 beschloss der Stadtrat auf Wunsch der städtischen Verwaltung den Klimanotstand in Köln. 2021 erfolgte das Bekenntnis, 2035 Klimaneutralität in Köln herzustellen. Das Bündnis Verkehrswende fragt, wie diese Ziele bei einem Tunnelbau eingehalten werden könnten. So rechne der Vorschlag der Verwaltung den CO2-Ausstoß auf 100 Jahre um. Dieser, so die Organisationen Parents, Grannys und Fridays for Future, finde aber während der Bauzeit statt und nicht 100 Jahre lang. Hier stellen die Tunnelkritiker in Frage, ob die Stadt nicht hier das Ergebnis schön rechne, denn sie schreibt den Tunnel nur über 80 Jahre ab. Und ein weiterer Aspekt irritiert in der Verwaltungsvorlage: Die Stadt rechnet die Folgekosten, also den CO2-Preis nur mit 145 Euro pro Tonne CO2. Dabei spreche das Umweltbundesamt davon, dass der CO2-Preis im Jahr 2030 bei 791 Euro pro Tonne CO2 liegen werde. Die Aktivist:innen fürchten eine Verschwendung von Steuermitteln. Aber sie haben auch einen positiven Aspekt – mehr ironisch – gefunden: An der Haltestelle im Tunnel lasse es sich bei den zu erwartenden Hitzewellen komfortabler auf verspätete KVB-Bahnen warten. Ohne Ironie fordern sie die oberirdische Variante, da diese schneller komme, preiswerter und umweltfreundlicher sei. Der Tunnelbau würde nach aktuellen Berechnungen 238.000 Tonnen CO2 ausstoßen.

Morgen lesen Sie bei report-K:

Teil 2: Barrierefreiheit, Lobbyistinnen zur Frage Oben bleiben oder Unten buddeln – die Ost-West-Achse aus Sicht des Bündnis Verkehrswende